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schüchtert, die falsche Unterschrift des
Testamentes mit aller Bestimmtheit
für die der verstorbenen Mutter er—
klärte und unbekümmert um das vwer—
gängliche Erdengut, das sie betraf, von
ihrer gerechten Forderung abstand, da
war die Angelegenheit bald entschieden.
Ludwig erhielt das hübsche Vermögen,
das sich die Mutter mit fleißiger, ehr—
licher Arbeit erworben hatte, zuge—
sprochen, während Stanzi mit 200 Gul—
den sich begnügen mußte. Und sie gab
sich zufrieden damit, sogar auch dann,
als der Bruder das elterliche Haus
Fluch der bösen Tat hätte ihn erdrückt
und so war er gegangen, um unter
inderen Menschen die Stimme seines
suälenden Gewissens zu betäuben.
Stanzi hatte er zurückgelassen; diese
hatte nach der Abreise des Bruders
aus dem Vaterhause scheiden müssen,
weil sie der gewissenlose Mensch nicht
nur um ihr rechtmäßiges Erbteil, son—
dern auch um die Unterkunft in dem—
selben betrogen hatte und der neue
Besitzer sie nicht duldete. Mit heißen
Tränen in den Augen hatte sie Ab—
schied genommen von den geliebten
hotzmarkt in Büdalbanien
verkaufte und in die Stadt zog, weil
es ihn in der Heimat nimmer litt. Das
flehende, so eigentümlich bis auf den
Grund seiner schwarzen Seele blicken—
de Auge der Schwester hatte ihn ver—
folgt, Tag und Nacht. Im ganzen
Dorfe war die Geschichte von seiner
unehrlichen Handlungsweise ruchbar
geworden, und wenn's ihm auch nie—
mand ins Gesicht zu sagen getraute, so
deutete doch alles mit Fingern auf ihn,
und das konnte er nicht ertragen. Der
Räumen und sich bei fremden Leuten
ein Asyl gesucht, die besser und edler
an ihr handeltenn.
An das alles dachte Stanzi, als
sie jetzt ihr Gebet vollendet hatte und
ich erhob, um die Blumen, die auf der
Mutter Grab blühten, mit frischem
Wasser zu begießen. Sie dachte aber
auch zurück an die Zeit, wo sie und
Ludwig der Mutter zu Füßen gesessen
waren und das schöne Lied sangen, das
sie ihnen gelehrt hattet