Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1918 (1918)

129 
ein Uhr nachts. Er sah dann nach dem 
Hahn) Dieser beutelte seine Federn 
und schien sich zu neuem ESchlummer 
zu betien. Auch Ortiz kroch unter die 
Flaumeèn. Bald schlief er wieder ein, 
aber nur, um nach einer geschlagenen 
Stunde abermals durch ein lebensfro— 
hes Kikeriki! seines Aftermieters aus 
allen Träumen gerissen zu werden. 
Ein kräftiger Flucher dankte dem 
Hahn für dessen Pflichttreue. Doch Or— 
tiz schlief doch wieder ein. Auch der 
Hahn schien Schlaf bekommen zu ha⸗ 
ben. Leider schien es nur so, denn 
um A,, übte sich der Gast wieder in 
einem mörderischen Kikeriki! und das 
wiederholte sich jede Stunde mit 
mathematischer Genauigkeit bis. inklu— 
sive n2,, über 6 Uhr morgens. Se lbst⸗ 
verständlich war es nun mit dem 
Schlafe Ortiz' aber auch mit dem aller 
übrigen Hausbewohner gründlich vor⸗ 
bei. In den ersten Vormittagsstunden 
erschien nun die Hausbesitzerin vbei 
dem Junggesellen, die Beschw erde al— 
ler Hausparteien und ihre eigenen 
wegen des Schlafraubes. vorbringend. 
Und die Dame, das muß man sagen, 
machte ihre Sache gut: sie redete sich in 
eine Wut hinein, die Ortiz angst und 
bang gemacht hätte, wenn ihm nicht 
sein Gast, der Hahn, aus der Verle— 
genheit geholfen hätte. Dieser unter⸗ 
brach nämlich mehrmals den Redefluß 
der Dame durch ein noch schrilleres 
Kikeriki! Das wurde der Herrin des 
Hauses zu dumm, und sie über— 
schrie den Hahn mit der kategori— 
schen Aufferderung, sich heute no ch um 
ein anderes Logis umzus ehen, wioͤri— 
genfalls man sich an die Polizei wen— 
den würde. Beim Hinausgehen aus 
dem Zimmer Ortiz' schlug sie die 
Tür zu, als hätte es im Wetter ein— 
geschlagen. Wehmüt!g blickte Ortiz zum 
Hahn empor. Dieser beutelte wieder 
seine Federn. 
Hahn beim Genick, öffnete das Fen— 
ster und warf ihn in einem weiten 
Bogen auf die Gaͤsse hinab. Ortiz 
schloß dann erleichtert das Fenster. 
Aber alsbald vernahm er mehr als 
ein Dutzend kreischender weiblicher 
Stimmen. Auch polterten verschiedene 
Füße die Stiege zu s einer Bude hin— 
auf Grimmig wurde an seine Tür ge⸗ 
klopft; des Ortiz' „Herein“ ward nicht 
abgewartet, zehn Weiber traten zorn— 
Ein in voller Ausrüstung von den 
Deutschen gefang. französischer Boldat. 
sprühend in seine Wohnung; eine da— 
von trug den seltenen Hahn. Alle zehn 
öffneten zugleich die Schleusen der 
Beredsamkeit, so daß Ortiz anfangs 
nicht klar wurde, um was es sich ei— 
gentlich handle. Endlich war ihm der 
Standpunkt klar gemacht: Der unselige 
Hahn hatte schon wieder ein Unheil 
angerichtet. Da er ein schlechter Flie⸗ 
—— ger war, fiel er mit aller Schwere auf 
IJ. den gerade unter Ortigz' Fenster aufge— 
Da das Tier wieder zu krähen an⸗- stellten Laden, wo eine Glasermeisterin 
fing, wurde Ortiz fuchtig, er vackte den unterschiedliche Becher, Pokale, Tisch—
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.