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ein Uhr nachts. Er sah dann nach dem
Hahn) Dieser beutelte seine Federn
und schien sich zu neuem ESchlummer
zu betien. Auch Ortiz kroch unter die
Flaumeèn. Bald schlief er wieder ein,
aber nur, um nach einer geschlagenen
Stunde abermals durch ein lebensfro—
hes Kikeriki! seines Aftermieters aus
allen Träumen gerissen zu werden.
Ein kräftiger Flucher dankte dem
Hahn für dessen Pflichttreue. Doch Or—
tiz schlief doch wieder ein. Auch der
Hahn schien Schlaf bekommen zu ha⸗
ben. Leider schien es nur so, denn
um A,, übte sich der Gast wieder in
einem mörderischen Kikeriki! und das
wiederholte sich jede Stunde mit
mathematischer Genauigkeit bis. inklu—
sive n2,, über 6 Uhr morgens. Se lbst⸗
verständlich war es nun mit dem
Schlafe Ortiz' aber auch mit dem aller
übrigen Hausbewohner gründlich vor⸗
bei. In den ersten Vormittagsstunden
erschien nun die Hausbesitzerin vbei
dem Junggesellen, die Beschw erde al—
ler Hausparteien und ihre eigenen
wegen des Schlafraubes. vorbringend.
Und die Dame, das muß man sagen,
machte ihre Sache gut: sie redete sich in
eine Wut hinein, die Ortiz angst und
bang gemacht hätte, wenn ihm nicht
sein Gast, der Hahn, aus der Verle—
genheit geholfen hätte. Dieser unter⸗
brach nämlich mehrmals den Redefluß
der Dame durch ein noch schrilleres
Kikeriki! Das wurde der Herrin des
Hauses zu dumm, und sie über—
schrie den Hahn mit der kategori—
schen Aufferderung, sich heute no ch um
ein anderes Logis umzus ehen, wioͤri—
genfalls man sich an die Polizei wen—
den würde. Beim Hinausgehen aus
dem Zimmer Ortiz' schlug sie die
Tür zu, als hätte es im Wetter ein—
geschlagen. Wehmüt!g blickte Ortiz zum
Hahn empor. Dieser beutelte wieder
seine Federn.
Hahn beim Genick, öffnete das Fen—
ster und warf ihn in einem weiten
Bogen auf die Gaͤsse hinab. Ortiz
schloß dann erleichtert das Fenster.
Aber alsbald vernahm er mehr als
ein Dutzend kreischender weiblicher
Stimmen. Auch polterten verschiedene
Füße die Stiege zu s einer Bude hin—
auf Grimmig wurde an seine Tür ge⸗
klopft; des Ortiz' „Herein“ ward nicht
abgewartet, zehn Weiber traten zorn—
Ein in voller Ausrüstung von den
Deutschen gefang. französischer Boldat.
sprühend in seine Wohnung; eine da—
von trug den seltenen Hahn. Alle zehn
öffneten zugleich die Schleusen der
Beredsamkeit, so daß Ortiz anfangs
nicht klar wurde, um was es sich ei—
gentlich handle. Endlich war ihm der
Standpunkt klar gemacht: Der unselige
Hahn hatte schon wieder ein Unheil
angerichtet. Da er ein schlechter Flie⸗
—— ger war, fiel er mit aller Schwere auf
IJ. den gerade unter Ortigz' Fenster aufge—
Da das Tier wieder zu krähen an⸗- stellten Laden, wo eine Glasermeisterin
fing, wurde Ortiz fuchtig, er vackte den unterschiedliche Becher, Pokale, Tisch—