Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

sten Chef, den Ministerpräsidenten. Der 
Finanzminister ballte seine Faust, aber 
nur im Rocksacke. Neker wollte sofort 
seine Entlassung einreichen; desglei— 
chen der Marineminister Sartine. Nur 
der Erzbischof von Beaumont bewahrte 
kaltes Blut. ? 
2. 
Der Zustand Frankreichs war in 
jenen Tagen bereits besorgniserre— 
gend. Wucherer saugten das Land aus. 
Die ungläubigen Philosophen vergif— 
heten das sittliche Mark des Volkes 
und raubten ihm den Glauben. Die 
Teilnahme Frankreichs am Unabhän— 
gigkeitskriege der Vereinigten Staa— 
ten Nordamerikas hatte nicht bloß die 
Finanzen Frankreichs arg Zerrüttet, 
sondern auch zugleich ein gefährliches 
Freiheits- und Revolutionsfieber mit 
nach Hause, nach Frankreich, besonders 
unter den Offizieren mitgebracht. Die 
Schwäche des Königs Ludwig XVI. der 
eines energischen Willens und fester 
Entschlossenheit im Auftreten ganz 
entbehrte, war ein weiteres Verhäng— 
nis für Frankreich. Im höheren Adel 
wurden die Szenen der Liederlichkeit 
und Vergnügungswut, wie es zur 
Zeit Ludwig XV. am Hofe üblich war, 
fortgesetzt. Dem höheren Adel machte 
es der niedere nach, diesem der Bür— 
gerstand. Der Herzog von Lauzun 
— 
der Fastenzeit ein Fest angesetzt, 
so liederlich und so lüstern, daß es in 
den schlimmsten Zeiten des heidnischen 
Roms nicht ärger sein konnte. Das 
wagte man am Vorabend der Rewolu— 
tion! Der Polizeidirektor wußte da— 
von, hatte aber nicht den Mut, die Auf— 
führung der angesetzten Theaterstücke 
zu untersagen. Der Erzbischof Beau— 
mont von Paris, ein apostolischer 
Mann, eine Ausnahme des damaligen 
hohen Klerus in Frankreich, begibt sich 
zum Ministerpräsidenten Maurepas 
in seinem Anliegen. Er wurde doch, 
allerdings mit Mühe, vorgelassen. Hö— 
ren wir die Staatsweisheit des Mi— 
nisters. „Monseigneur hätten mir 
nicht ungelegener als heute kommen 
95 
können, wo ich den Kopf voll habe von 
Geschäften. Da kommen Sie mit die— 
sen Kindereien. Es handelt sich bei 
diesem Feste des Herzogs nur um eini— 
gen jugendlichen Uebermut. Sie frei— 
lich, Herr Erzbischof, sehen mit Ihrer 
trüben Brille überall Gefahren, Ver— 
letzungen der Sitte, Schädigung der 
Kirche, den Ansturm der Revolution. 
Wie gesagt, ich fühle mich nicht bewo— 
gen, in dieser Angelegenheit mich ein— 
zumischen. Schade um die kostbare 
Zeit, die Sie mir raubten. Ich bin 
ganz in Sorgen wegen der Krisis mei— 
ner Frau. Adieu!“ So behandelte der 
erste Rat der Krone einen Fürsten 
der Kirche, welche, wenn sie damals 
mehrere Beaumonts zu Bischöfen und 
Erzbischöfen in Frankreich gehabt hätte, 
den Thron würden gerettet haben. 
Vom Ministerpräsidenten begab sich 
der Oberhirte von Paris direkt zum 
König. — 
Ludwig XVI. war ein ausgezeich— 
neter Schlosser. Wir wissen, daß gar 
manche Monarchen mit Vorliebe ein 
Handwerk betreiben. Ludwig XVI. 
betrieb das seine mit Bravour und 
mit einem Eifer, als wenn er davon 
hätte leben müssen. O, hätte er als 
Regent auch eine solche „Schneid“ ge— 
zeigt. Die Revolution wäre nicht her— 
eingebrochen. Er schrieb sogar eine 
Broschüre mit dem Titel „Die Kunst 
in der Schlosserei“. Foucaud beschreibt 
uns Sr. Majestät Schlosserwerkstätte. 
„Eine gewaltige Bank in einem Saal 
von Versailles, deren Füße ausneh— 
mend künstlerisch bearbeitet waren, 
stand an einem Fenster, welches sei— 
dene Vorhänge umgaben. Auf der 
Bank waͤren die herrlichsten Werk— 
zeuge, alles in Marmor oder Silber 
eingefaßt. Daneben prachtvolle Arm— 
sessel, reich vergoldetẽ.. 
Diese Schlosserwerkstätte in Ver— 
sailles war ein Heiligtum, wohin nur 
die Auserwähltesten eintreten durf— 
ten. Der Erzbischof von Paris wurde 
vom König Ludwig XVI. nicht emp— 
fangen; infolgedessen fand das Fest 
—
	        
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