Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

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fängt an: „Ich glaube an Gott den 
Vater .... ““ 
Die Perlen gleiten durch ihre Fin— 
ger. Ihre Lippen bewegen sich. Und 
im stillen Gebete findet sie das, was 
ihr fehlt: den Starkmut des deutschen 
Weibes! J 
Die Sommertage gingen zur Neige. 
Langsam färbte sich das Laub. Die 
Tage wurden kürzer, das Gebirge 
klarer und blauer, die Nächte kühler. 
Von den Almen bimmelten die Her— 
denglocken ins Tal. Der Herbst war 
ins Land gezogen. 
In dem Hause der Berghoferin 
— —— 
im schwarzen Kleide ging die Nandl 
durch das Haus. Ihr Gesicht war bleich 
und hatte einen kummervollen Aus— 
druck. Und die Mutter ließ auch den 
Kopf hängen und redete nicht mehr 
viel. — 
Der Franzl war gefallen. 
Bor vierzehn Tagen wars. Da ist 
einer hinaufgestiegen zu der stillen 
Sbhe. Er vrachte Botschaft vom 
Franzl. Daß er verwundet sei .. Sie 
hat aufgesehen in jähem Erschrecken. 
Unoͤ es stehe nicht gar gut mit ihm; 
man kann nicht wissen! .. Der Nandl 
aber wars, als stehe ihr das Herz 
stille. Und wie sie ihm in das ernste 
Gesicht sah, durchzuckte plötzlich ein 
surchbarer Gedante ihr Gehirn. Sie 
schien zu ahnen, warum er eigentlich 
hier war. Mit bebender Stimme ver— 
langte sie die volle Wahrheit. Sie sei 
35 faßtäuf alles. Und da sagte er es 
ihr. ... 
Sie hat aufgeschrien in bitterem 
Weh. Aber schon war die Mutter da. 
Redete ihr zu und richtete sie wieder 
auf. So fand sie die Fassung wieder. 
In der Kirche unten war sie mehr 
denn je. Im innigen Gebete für den 
gefallenen Helden suchte sie Trost. Und 
fand ih. 
Beute stieg wieder einer den steilen 
Bergweg hinan. Einer im schlichten 
Feldgrau und den linken verbunde— 
nen Arm in der Schlinge. Der Mühl— 
bacher Lois. Langsam und bedächtig, 
auf einen Stock gestützt, steigt er berg— 
auf. Der Gang wird ihm schwer. Nicht 
so sehr aus körperlicher Schwäche. 
Aber er hat einen letzten Willen zu 
erfüllen. Er und der Franzl waren 
Freunde und Kriegskameraden. Für 
den Fall, daß einer nicht mehr die 
Heimat sehen sollte, hatten sie gegen— 
seitig vereinbart, daß der Ueberle— 
bende die letzten Habseligkeiten und 
Grüße an die Hinterbliebenen über— 
bringt. Das Notizbuch enthielt die nä— 
heren Bestimmungen hieruͤber. Die— 
sen letzten Wunsch soll er heute besor— 
gen Bei Franzls Eltern war er schon 
in Goisern draußen. Der Schmerz der— 
selben hat ihn tief erschüttert. Nun 
galt sein Gang der Braut des Freun— 
des Das Notizbuch, einige Briefschaf— 
ten gehörten ihr. Dabei noch eine Feld— 
postkarte, die er am Vorabende vor 
seinem Tode noch geschrieben. Und 
noch etwas im kleinen, weißen Brief— 
umschlag. —— 
Wie er zu dem Hause kam ward die 
Tür aufgerissen und Nandl und ihre 
Mutter winkten ihm entgegen. Sie 
hatten ihn schon bemerkt, wie er den 
Weg heraufkaamnnn. 
„Grüaß Gott, Lois! 
„Grüaß Gott beinand!“ Er reichte 
ihnen die Rechte und die Berghoferin 
meinte 
Freut uns recht, daß du zu uns 
heraufkommst, Loisl. Hab'n schon 
g'hört, daß d' verwundet hoamkemma 
bist. Geh' nur glei eini in d' Stub'n.“ 
„Mit Verlaub, Berghoferin. Freili, 
ich wollt, ich hätt' noch an andern mit— 
bringa könna, aber leider ...“ Und er 
blickte die Nandl an. Der traten die 
Tränen in die Augen. Da sagte er: 
„Wywhan net, Dirnoͤl! Unser Herr— 
gott hat's halt so g'wollt. Er is g'fall'n 
als Held fürs Vaterland, i hab's 
g'seg'n, denn i war dabei bei eahm bis 
Da ging es über ihr Gesicht wie 
freudiges Leuchten.— 
„Is mögli Lois? Du bist beim 
Franzl g'wen?“
	        
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