Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

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ihnen. Sie merkten nichts davon, 
Franzl hatte nur Aug' und Ohr für 
die beiden Braunen und Lieserl saß 
still, die Hände in den Schoß gefal⸗ 
tet. Schon hatten sie das Dorf weit 
hinter sich und noch hatten sie kein 
Wörtlein mitsammen geredet. In 
ihnen war Sturmflut, sie mußten die 
tosenden Wogen erst verlaufen lassen. 
Endlich legte Franzl den Arm um ihre 
Schultern. 
„Lieserl?“.. 
„Was ist's denn?“ 
Bist so still, Lieserl, bist denn 
„Wenn du mir was versprechen 
—DD 
statt zu antworten, „ich bitt' dich, 
Franzl, nur das eine. Wenn du mir 
noch ein bisserl gut bist?“ 
„Ich soll; Lieser?“ 
„DJa, ja! Fortgeh'n sollst vom Kindl— 
hof, ich kann dich nit seh'n da. Ich 
kann nit!“ 
„Wieder das alte. Mein Gott, Lie— 
serl, ist's denn nit ganz gleich ob ich 
da arbeit oder wo anders? Mein' 
Sach' muß ich mir doch all'weil ver— 
dienen?““ 
Lieserl rang die Hände. „Daß du 
das nit verstehen kannst, daß du's nit 
fühlst, den Unterschied zwischen dort 
und anderswo? Daß du nit bei jedem 
Schritt, den du dort tust, d'ran den— 
ken mußt! Daß du nit zorn- und 
schamrot wirst, so oft sie dir etwas 
befiehlt? Sie! Dir!“ — 
Franzl sah mit großen Augen auf 
das Mädchen. — 
„Schamrot? Weils das Schicksal 
anders mit mir wermeint hat, wie 
ich? Aber Dirndl, da müßt ich mich ja 
auch schämen, daß ich nicht vermag, 
mein gutes Mutterl wieder aufzu— 
wecken?“ 
So einer bist du?“ zürnte Lieserl, 
dann verfiel sie wieder in trotziges 
Schweigen. 
Eine Weile kämpfte Frangl mit sich 
dann sagte er;? 
„Wenn's dir schon gar so d'rum 
geht, Lieserl, ich werd' mir's halt über— 
legen.“ 
„Braucht's das? Ein Ja oder 
Nein und die Sach' ist fertig, mein' 
ich“ 
„Halt, gar so einfach geht das doch 
nit. Jetzt, mitten in der Arbeitszeit 
läuft kein ordentlicher Knecht so mir 
nix, dir nix davon. Ich müßt' mich 
ja schämen.“ 
„Aber sagen kannst es der? Und 
wenn sie dich schon nit früher fort— 
läßt, dann halt zu Lichtmeß. Wenig— 
stens weiß jedes bald genug, wie es 
d'ran ist“ 
„Halt zu Lichtmeß“, erwiderte 
Franzl sichtlich erfreut, eine so lange 
Gnadenfrist erhalten zu haben. „Bis 
dahin find't sich auch leichter was Or— 
dentliches. Weißt, in die erstbeste 
Keuschen ging ich halt doch nit gerne.“ 
Aber die Dirn war schon wieder 
mißtrauisch geworden. Energisch 
packte sie Franzl am Rockzipfel. „Aber 
sag'n tust ihr's? Jetzt gleich, wenn 
du heimkommst, gelt?“ Und als der 
Bursche nicht gleich antwortete, wurde 
sie noch eindringlicher. „Versprichst 
mir's? — Bei deiner Ehr' und Selig— 
keit? — Beim Andenken an dein Mut—⸗ 
terl? — Ja? — Du!“ 
Was er entgegnete, konnte sie zwar 
nicht verstehen, da das Wägelchen 
eben über eine Lage Schotter holperte, 
sie mußte es aber trotzdem aus seinen 
Mienen als eine Zustimmung erkannt 
haben. Denn urplötzlich umfing und 
küßte sie ihn so leidenschaftlich, daß er 
die Zügel aus den Händen verlor und 
die rundlichen Braunen einen wilden 
Seitensprung gegen den, noch vom Ge— 
witter her mit Wasser angefüllten 
Straßengraben machten. 
„Höh! Hoioh! Zum Busseln müßt's 
schon lieber heruntersteigen, sonst 
brecht's das Genick.“ Der Sprecher 
ein kleines dürres Männlein, das den 
Pferden in die Zügel gefallen war, 
erschien wie aus der Erde gewachsen. 
Lieserl fühlte sich im ersten Augen— 
blick versucht, den ihr doch gut bekann—
	        
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