Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1917 (1917)

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Frankreichs geschündele Königs— 
gräber. 
Von J. B. L. 
Die Gerichte Gottes gehen ihren, In der Vorstadt St. Denys erhebt 
Gang unaufhaltsam, unfehlbar, zer— sich ein altehrwürdiges Gotteshaus, 
malmend. Als man in FJrankreich geweiht dem hl. Dionysius, dem 
daranging, die Jesuiten, also Landes- Schutzheiligen Frankreichs. St. Denys 
kinder, zu unterdrücken, da erhob sich war die Grabkirche der Könige Frank— 
der Papstkönig Clemens XIII. zu reichs. Alle kamen sie hieher, inoch— 
einem feierlichen Proteste und sprach ten ihre Wege noch so verschieden sein, 
dabei das Wort: „Wir fürchten, daß hier in der Totengruft von St. Denys 
Gott in seinem Zorne viel große Uebel endeten sie alle. Da lagen sie die 
und Schrecken über Frankreich kom- Prinzen, Herzoge und gekrönten Häup— 
men lassen werde. Wir denken, daß ter, alle waren sie gleich geworden — 
die Verwirrung mit jedem Tage eine Handvoll Asche, wie der letzte 
größer wird /.. ihrer Untertanen. Nur ihnen war 
keine bleibende Grabruhe gegönnt. 
Gottes Ratschluß hatte es anders be— 
schlossen und zugelassen. 
Und so ist es geworden, so groß 
und schrecklich, daß ungussbrechliches 
Weh über das ganze Reich kam, daß 
inmitten von einem Meer von Blut 
und Tränen die Gesellschaftsordnung 
in Trümmer brach in der großen Re— 
volution des Jahres 17883. 
Und die Könige, die berufenen Hü— 
ter der Ordnung?, die schauten zu, wie 
man dem Volke die festeste Stütze des 
Thrones, die Religion, nahm; sie 
schauten zu, wie man das Volk unter— 
drückte und dem Volke allein die 
Blutsteuer tragen ließ. 
Der Hof der Könige selbst war der 
Herd, von wo aus das schlechte Bei— 
spiel ausging, und die Könige schau— 
ten zuu. — 
Man schrieb den 16. Oktober 17983. 
Da sah der Grabesdom von St. Denys 
Dinge, wie er sie in den 12 Jahrhun— 
deran seines Bestandes nie geschaut 
hatte. Wildes Volk ist gekommen; 
durch die weit aufgerissenen Tore strö⸗ 
men sie herein unaufhaltsam, schier 
endlos, die Kinder der Revolution. Da 
horch! Nicht Trauerklänge eines Re— 
quiems sind es, nicht frommes Beten 
für die, die im Tode hier ruhenden 
Könige und Großen, das zu den hohen 
Hallen emporschlägt, wilde Klänge er— 
tönen aus tausend und tausend rauhen 
Kehlen; es ist das Revolutionslied, 
die Marseillaise. Revolutionsmänner 
besteigen die Kanzel, von der herab 
einst Frankreichs große Prediger die 
Trauerreden gehalten auf den Tod der 
Großen Frankreichs. Angefeuert durch 
die Worte der Führer, steigt die Wut 
des Volkes gegen seine toten Könige 
zur Fieberhitze. Man stürmt vor— 
wärts, die Kreuze werden zerbrochen, 
die steinernen Statuen der Heiligen 
schlägt man herunter und schleift sie 
mit Stricken durch die Straßen der 
Stadt, die Altäre werden besudelt und 
zerschlagen. 
Herrscher sind entweder zum Segen 
oder zum Fluch. Und Frankreichs 
Könige; vergaßen ihre Würde, ent, 
weihten sich selbst; und den Fluch, den 
sie über das ausgebeutete Land ge— 
bracht hatten, wusch das Volk, das 
gottvergessene, königsmörderische 
Volk, hinweg im letzten Sprossen deẽs 
königlichen Haus es, dessen Kopf unter 
dem Beile der Guillotine fiel. Und 
im Tode noch sollten die Könige ihren 
Leichtsinn büßen, ihre Schwäche büßen 
bor dem Angesicht der ganzen Erde.
	        
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