Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

und kann es nur tief beklagen, daß es 
meine Flinte war, welche das Grä߬ 
liche vollbrachte. Ich vergaß alles in 
jenem Moment, als er mir Geld bot, 
— ich dachte nicht mehr an meine 
Waffe, — doch Gott ist mein Zeuge, 
daß kein Mordgedanke in meine Seele 
kam. Man bezweifelte meine Behaup¬ 
tung hinsichtlich des Geldes, da man 
es nirgends hat auffinden können, 
weder bei dem Toten noch im Walde, 
- nun wohl, mögen sie mein Leben 
hinnehmen als Sühne, ich sterbe gern, 
da ich dich noch einmal gesehen, aus 
deinem Munde den Glauben an meine 
Unschuld vernommen." — 
Er stockte, der Aufseher schob 
draußen den Riegel zurück. 
„Schon?" fragte er leise. „Kargt 
man so grausam mit dem Sonnen¬ 
strahl, den Gott erbarmungsvoll selbst 
dem Sünder auf dem Schaffst sendet? 
Ich habe vergebens auf ein Zeichen der 
Liebe von meinen Eltern gewartet," 
setzte er tief aufatmend hinzu, „von dir, 
Geliebte, wagte ich es nicht zu hoffen." 
„Ich gehe morgen nach dem Forst¬ 
hause und werde den Eltern deine 
Grüße und Küsse bringen, mein Karl. 
Habe ja heute erst nach schwerer Krank¬ 
heit zum erstenmale das Haus ver¬ 
lassen können." 
„Und dein erster Gang gilt mir. O, 
dürfte ich dir diese Liebe vergelten. Du 
treues Herz!" 
Eine innige Umarmung, ein leises 
Lebewohl, das wie ein Klageton durch 
den engen Kerker schwebte und es 
mußte geschieden sein. 
Der Aufseher ergriff die Laterne 
und geleitete Meta schweigend hinaus. 
Als die Tür hinter ihr mit lautem Ge¬ 
räusch in's Schloß fiel, lehnte sie sich 
wankend an die Mauer und preßte die 
Hand aufs Herz, um den Schrei zurück¬ 
zubannen, der sich im verzweiflungs¬ 
vollen Schmerz über ihre Lippen drän¬ 
gen wollte. 
Der Richter begleitete sie nach ihrem 
Hause, wo sie ihm dankbar die Hand 
reichte. 
„Verurteilen Sie ihn nicht," sagte 
sie zu ihm, „er ist unschuldig, so wahr 
die Sterne droben auf uns herabsun- 
keln. Hüten Sie sich vor einem Justiz¬ 
mord, Herr Richter. Der Wahrspruch 
des Herzens, den ich fälle, spricht ihn 
frei!" 
Dieser erwiderte nichts, unruhig 
schritt er zurück nach seiner Wohnung 
und beschäftigte sich sogleich wieder mit 
den Akten des Angeklagten, von dessen 
Schuld er ganz zweifellos überzeugt 
gewesen. Er war ein gewissenhafter 
Mann — das letzte Wort der jungen 
Dame, deren Charakter ihn mit Hoch¬ 
achtung erfüllte, wollte nicht in seinem 
Ohr verklingen; es hatte ihn mit un¬ 
ruhigen Zweifeln erfüllt und an sein 
Gewissen nur zu mächtig appelliert.— 
„Ja, ja," murmelte er, „Gott behüte 
mich vor einem Justizmord. Wollte sel¬ 
ber wünschen, daß ich ihn freisprechen 
könnte, doch was nützt uns die morali¬ 
sche Ueberzeugung, wo alle Beweise 
seiner Unschuld fehlen?" 
Ebenso ruhelos wanderte Meta in 
ihrem Zimmer umher, sie wäre am 
liebsten noch heute hinaus nach dem 
Forsthause gegangen. 
„Und was hindert mich daran?" 
fragte sie sich entschlossen. „Ist es nicht 
meine Pflicht, den armen Eltern die 
Grüße des Sohnes so rasch als möglich 
zu bringen? Könnte es morgen nicht 
schon zu spät sein?" 
Das eintretende Dienstmädchen 
meldete ihr, daß Herr Oderstedt, der 
bereits zweimal dagewesen sei, um eine 
Unterredung bitten lasse. 
„Ersuche Herrn Oderstedr, morgen 
herüber zu kommen," sprach Meta 
ruhig. 
Der Apotheker vernahm diesen kur¬ 
zen Bescheid mit sichtlichem Verdruß 
und entfernte sich langsam, um in sein 
Haus zurückzukehren. 
Wie an jenem Unglücksabend, setzte 
er sich auch heute wieder ans Fenster, 
um starr und unbeweglich nach dem ge¬ 
genüberliegenden Hause des Ge¬ 
meinderates zu blicken. Niemand 
konnte den finstern Mann hier sehen,
	        
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