Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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war er damals nach Ischl gekommen,' 
aus der „kleinen Sissy" war aber mitt¬ 
lerweile ein zauberholdes Mädchen 
erblüht, und alles übrige gehört der 
Zeitgeschichte an, die wenige so glück¬ 
liche Blätter aufzuweisen hat, wie das 
der Brautwahl eines Kaisers. 
Der ganze Schmelz Altwiens liegt 
noch über dem Bilde gehaucht, das das 
junge kaiserliche Paar nach seiner Ver¬ 
einigung bot, wenn es auf dem Glacis 
Arm in Arm promenierte, im Prater 
ü. la Daumont fuhr und im Laxenbur- 
ger Park sich des Sonntags unter die 
sommerfrohen Wiener begab, deren 
Lieblingsziel damals das kaiserliche 
Lustschloß war. Das alles liegt sech¬ 
zig Jahre zurück. Und Oesterreich und 
Wien hat mit seinem Kaiserpaare die 
silberne Hochzeit gefeiert, hat ihm da¬ 
mals durch die unvergeßliche Schöp¬ 
fung Hans Makarts, den Festzug 
des Jahres 1879, eine unvergeßliche 
Huldigung entboten,' war das doch ein 
hohes Fest an Schönheit, an Pracht und 
an Farbe! Zehn Jahre später aber ist 
schon Trauer für immer eingezogen 
in des Kaisers Haus, es ist nach dem 
Tode des Kronprinzen Rudolf, und 
Kaiser und Kaiserin läuten keine fro¬ 
hen Glocken mehr, da sie den einzigen 
Sohn verloren haben. Aber seinen 
Völkern, der ganzen Welt hatte Kaiser 
Franz Josef I. es damals gesagt, was 
ihm die Frau, die er sich zur Lebens¬ 
gefährtin genommen, bedeutet, in 
Worten sagte er es, die ihr ein ewiges 
Monument geworden: seine Stütze, 
sein Schutzgeist, der Segen seines Hau¬ 
ses und Herzens sei sie gewesen. Noch 
einmal sagte er es, da ihn zum zwei¬ 
tenmal mit aller Wucht die Tragik des 
Schicksals trifft, indem sie, die ihm das 
alles, Stütze und Schutzgeist und Segen 
war, durch frevlerische Menschenhand 
getötet ward. Der fünfzigste Hochzeits¬ 
tag, der, den der Bolksmunü verklä¬ 
rend, mit der richtigen Empfindung, 
daß die Jahre festigend und läuternd 
auch über den Bund zweier Menschen 
dahin gehen sollen, den „goldenen" 
nennt, findet den Kaiser allein. Bon 
seinem Arbeitstisch weg geht er den 
traurigen Gang zu dem Sarge, der die * 
irdische Hülle Elisabeths von Bayern § 
umschließt. Es ist früh am Tage noch, ' 
und der Kaiser ist allein gekommen, in ^ 
Händen hält er einen kleinen Strauß ^ 
der auserlesensten Orchideen,' er legt; A, 
ihn nieder auf diesem Sarge, vor dem 
er lange in Andacht versunken nieder- £ 
kniet. Zehn Jahre sind nun wieder A 
seit jenem 24. April dahingegangen. * 
— Und die Monarchie, die im vorigen 
Winter durch die Kunde von einer r( 
Erkrankung des Kaisers wie von einer 
einzigen bangen Sorge heimgesucht ^ 
war und nun seiner vollen Genesung 'ß 
sich wieder erfreut, durchklingt inni- 
ger denn je: „Gott erhalte unsern 
Kaiser! ; ^ 
Die Werbung und Vermählung. 
Am 24. April 1854 fand in der Au- cj’ 
gustinerkirche die Trauung des Kaiser- l- 
paares statt, nachdem eine Brautzeit 
von kaum acht Monaten vorüberge- ^ 
gangen war. Am Tage nach dem 
23. Geburtstag des Kaisers erfolgte in 
Ischl seine offizielle Werbung um die '] 
Hand der damals 16jährigen Prinzes- ^ 
sin Elisabeth von Bayern, welche mit ^ 
ihrer Mutter Herzogin Ludovika und ~ 
ihren Schwestern am Vorabend an ^ 
einem Ball in der kaiserlichen Billa ^ 
teilgenommen hatte. Die Hofgesell- ^ 
schaft wollte bemerken, daß Erzherzo- .-e 
gin Sophie damals ihre Nichte Helene 
besonders auszeichne — um so lebhaf- ^ 
ter wurde die Aufmerksamkeit, als der 
Kaiser beim Kotillon der Prinzessin^ < 
Elisabeth, der jüngeren der fürstlichen 
Schwestern, einen prachtvollen Blu- 
menstrauß überreichte. Am 19. August . 
sah man schon um 8 Uhr morgens die 
kaiserliche Equipage vor dem Hotel f, 
Julathini (jetzt „Elisabeth") halten, 
wo Herzogin Ludovika wohnte. Der j- 
Kaiser eilte die Treppen hinan und ^ 
rief der Kammerfrau die Worte zu: 
„Ist Sisi (Elisabeth) schon wach?" —j 
„Ja, Majestät, aber noch bei der Toi- ^ 
leite." — „Schon gut, ich will zuerst 
zur Mutter." Und nun hielt der Kai¬
	        
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