Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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der Weise erfüllt, daß man Kronver- 
kaufsbuden einrichtete, vor denen sich 
die Menschenmassen drängen, um 
ihren Wodka flaschenweise zu kaufen, 
und da keine andere Gelegenheit vor¬ 
handen ist, dieselbe gleich auf der 
Straße hinunterzustürzen, um dann 
ebenfalls auf der Straße besinnungs¬ 
los herumzuliegen, bis sie die Polizei 
aufhebt. Der Russe kann sich lange des 
Alkohols enthalten. Dann aber trinkt 
er bis zur sinnlosen Betrunkenheit. 
Die schlechte Erfahrung, welche die 
russische Armeeleitung mit den be>- 
trunkenen Soldaten im russisch-japa¬ 
nischen Kriege gemacht hatte, ver¬ 
anlaßte nun die Regierung, zur Zeit 
der gegenwärtigen Mobilisation alle 
Kronverkaufsbuden zu zerstören und 
ein Schnapsverkaufslverbot zu er¬ 
lassen. Diese Ausnahmsbostimmun- 
gen sollten solange Geltung haben, 
bis die Truppen an die Grenzen ge¬ 
bracht wurden. Das russische Blatt 
„Djen" berechnet nun, daß hiedurch 
der Bevölkerung 60 Millionen Rubel 
erspart wurden, die sie sonst vertrun¬ 
ken hätte. Freilich ist diese Rechnung 
recht optimistisch, denn die Tatsachen 
haben andere Ergebnisse gezeitigt. Da 
der Russe ohne „Wodka" nicht leben 
zu können vermeint, hat er, da selbst 
Arzneien, wie Hoffmannsche Tropfen 
verboten waren, sich mit Eau de Co- 
logne, Firnislack, Politur und dena¬ 
turiertem Spiritus zur Löschung 
seines Durstes beholfen. Um diese Ge¬ 
tränke geschmackvoll zu machen, ließ 
man z. B. Politur durch ein Stück 
Brot fließen, vermischte Firnislack 
mit Salz und in den denaturierten 
Spiritus warf man Knoblauch hinein. 
Aber auch der heimliche Verkauf gei¬ 
stiger Getränke war in ganz Rußland 
stark in Uebung und die russischen 
Blätter zählen unzählige Fälle aus, 
in denen die Gast- und Teehaus¬ 
besitzer mit Strafen bis zu 3000 Rubel 
und drei Monate Gefängnis belegt 
wurden. Viele Geschäfte wurden straf¬ 
weise gesperrt. Wenn man also von 
einer „nüchternen" russischen Mobili¬ 
sation spricht, so kann man das nur mit 
einer sehr großen Beschränkung sagen. 
Günstige Gelegenheit. 
(Zu nebenstehendem Bilde.) 
Bürger (zu einem Herrn, der einer Trau¬ 
ung mit sichtlichem Interesse gefolgt ist): „Sie, 
wenn Ihnen die Sache gefällt — ich habe 
auch n' paar Töchter zu Haus, die noch zu 
haben sind!" 
Beim Heiratsvermittler. Ehekandidat: 
„Die Dame, die Sie mir da empfehlen, 
hat ja ein Bein, das kürzer ist als das 
andere!" — Heiratsvermittler: „Das 
macht nichts, dafür ist das andere desto 
länger." — „Und auf dem Rücken ist sie 
etwas gebirgig." — „Das sieht man von 
vorn nicht." — „Außerdem stottert sie." — 
„Das ist die beste Garantie gegen Gar¬ 
dinenpredigten." — „Und auf dem einen 
Auge ist sie etwas schüchtern." — „Ja 
nun, wollen Sie sie denn ganz tadellos? 
Einen kleinen Fehler haben sie alle."
	        
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