Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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wie die Völker in den Krieg gezogen find. 
Es lebt ein Gott! Dieser Gedanke 
Erfüllt wieder die Gemüter; er sucht 
Ne Völker heim und prüft jeden ein¬ 
zelnen; er entscheidet über Krieg und 
Mieden und weiß alles zum besten 
zu lenken, was er durch die Menschen 
geschehen läßt. In seiner Hand ruht 
die Macht, das Gericht, das über 
Stämme und Völkerschaften ergeht, zu 
mildern, die Drangsal abzukürzen. 
Mit tiefster Ergriffenheit ließ noch 
der Heilige Vater Pius X. seine 
Stimme durch den Erdkreis schallen 
und seine Aufforderung an die ge¬ 
samte Christenheit ergehen, in diesen 
Tagen schwerer Heimsuchungen die 
Augen zu Gott emporzurichten und in 
demütiger Zerknirschung ihn um 
Gnade und Barmherzigkeit in den ent¬ 
fesselten Stürmen der Völker anzu¬ 
flehen. 
Gewiß, sein Wort findet willige 
Aufnahme und eifrige Beachtung, um 
so mehr, als uns Fürsten der Kirche 
und Fürsten der Reiche mit gutem 
Beispiel in edler erleuchteter Weise 
vorangehen. 
Es ist in der Tat eine herrliche 
Vorbedeutung — möchten wir sagen 
— wie gerade in Deutschland, in 
Oesterreich-Ungarn und einzelnen 
neutralen Staaten schon von allem 
Anfang an die heiligen Geschicke ihrer 
Länder in die Hand der göttlichen Vor¬ 
sehung gelegt wurden und wie von 
den autoritativen Personen immer 
wieder auf Gott hingewiesen wird. 
Worte wie Erz schrieb Kaiser 
Franz Joseph von Oesterreich in 
dem Erlaß: „An meine Völker . . ", 
wo er den Krieg mit Serbien an¬ 
kündigt: 
„Es war mein sehnlichster 
Wunsch, die Jahre, die mir durch 
Gottes Gnade noch befchieden sind, 
Werken des Friedens zu weihen und 
meine Völker vor den schweren 
Opfern und Lasten des Krieges zu 
bewahren. 
Im Rate der Vorsehung war es 
anders beschlossen. 
... In dieser ernsten Stunde bin 
ich mir der ganzen Tragweite mei¬ 
nes Entschlusses und meiner Ver¬ 
antwortung vor dem Allmächtigen 
voll bewußt. 
Ich habe alles geprüft und er¬ 
wogen. 
Mit ruhigem Gewissen betrete ich 
den Weg, den die Pflicht mir weist. 
Ich vertraue auf meine Völker, 
die sich in allen Stürmen stets in 
Einigkeit und Treue um meinen 
Thron geschart haben und für die 
Ehre, Größe und Macht des Vater¬ 
landes zu schwersten Opfern immer 
bereit waren. 
Ich vertraue auf Oesterreich-Un¬ 
garns tapfere und von hingebungs¬ 
voller Begeisterung erfüllte Wehr¬ 
macht. 
Und ich vertraue auf den All¬ 
mächtigen, daß Er meinen Waffen 
den Sieg verleihen werde." 
Diese Worte des greisen Kaisers 
auf Habsburgs Thron erinnern un¬ 
willkürlich an jene ergebende Episode 
der Weltgeschichte, als Kaiser Karl V., 
ebenfalls ein großer Habsburger, in 
den Niederlanden vor versammelten 
Ständen und Granden des Reiches 
Zepter und Krone in die Hand seines 
Sohnes Philipp II. legte und mit den 
bewegten Worten Abschied nahm: „Al¬ 
les kann ich Euch geben, aber eines 
fehlt, das ich so gerne Euch verschafft 
hätte: der Friede." Und so ist denn auch 
der Jubilar auf Oesterreichs heutigem 
Thron noch an seinem Lebensende ge¬ 
zwungen, die ersehnte Ruhe des Al¬ 
ters mit dem Schwerte Roland zu ver¬ 
tauschen, um die heiligsten Rechte der 
Zivilisation und des Reiches zu 
wahren. 
In welch tiefernsten Worten auch 
Kaiser Wilhelm II. seinen Ge¬ 
fühlen Ausdruck verlieh, sei hier wie¬ 
dergegeben. In ebenso feierlicher und 
unvergeßlicher Weise erklärt Kaiser 
Wilhelm in seiner Thronrede am 
4. August dem versammelten Reichs¬ 
tag u. a.:
	        
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