Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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Fall ein, der diese verschiedenen For¬ 
men des Aberglaubens in gar furcht¬ 
barer Weise zu bestätigen scheint. Ich 
selbst war Zeuge eines solchen Falles, 
als mich eine Reise nach Philadelphia 
über den Ozean geführt. 
Keine Nation wohl ist in so gro߬ 
artigem Stile gastfrei, als es die Ame¬ 
rikaner sind. Es wurde mir nicht nur 
in Philadelphia und New-Iork die 
außerordentlichste Zuvorkommenheit 
zuteil, ich erhielt auch die dringendsten 
Einladungen nach den verschiedenen 
Staaten und da ich ja überhaupt mit 
dem Entschlüsse nach der neuen Welt 
gekommen war, so viel in der mir ge¬ 
gönnten Frist nur möglich von ihr 
kennen zu lernen, freute ich mich, 
überall Anknüpfungspunkte zu finden, 
die mir wesentlich erleichterten, Land 
und Leute kennen zu lernen. Allein die 
Gastfreundschaft meiner neuen Be¬ 
kannten erstreckte sich nicht nur auf das 
Festland, sondern auch auf die See. 
Mein Gastfreund in Florida, der sich 
plötzlich genötigt sah, in Geschäften eine 
Fahrt nach den Bermudas zu unter¬ 
nehmen, wollte es durchaus nicht lei¬ 
den, daß ich meine Besuchzeit bei ihm 
kürze und bewog mich, ihn nach Sankt 
George zu begleiten, um die blühende 
Inselgruppe kennen zu lernen. 
Die Fahrt versprach eine vielfach 
angenehme zu werden, denn wir fan¬ 
den zahlreiche und für die Beobachtung 
gar lohnend gemischte Gesellschaft auf 
dem schmucken Schooner, der uns nach 
den Orangenhainen im atlantischen 
Ozean bringen sollte. Da gab es ein 
auf der Höhe der Fashion stehendes 
junges Ehepaar aus New-Pork, das 
seine Hochzeitsreise zu den Eltern des 
jungen Ehemanns unternahm, dort 
einen Entomologen aus dem ameri¬ 
kanischen Athen, Boston, der auf den 
Inseln Ausbeute in seinem Fache 
suchte, eine Schriftstellerin, welche 
Szeneriestudien für ihren nächsten Ro¬ 
man vorhatte, eine Anzahl echter Pan- 
kees, die sich nur mit Voranschlägen 
über ihre Reis- und Weineinkäufe 
beschäftigten, und noch eine Anzahl 
nationaler Typen, die mir den Reiz 
des Fremdartigen boten. Doch schlossen 
wir uns nur an eine zahlreiche Fami¬ 
lie aus Milwaukee, die zur Wartung 
ihrer Kinder eine schon in der zweiten 
Generation diesen Dienst versehende 
alte Negerin mit sich führte, und einem 
jungen Engländer näher an. Es trat 
wohl an letzterem, einem Mr. Sheden, 
der seinen Landsleuten ziemlich häu¬ 
fig eigentümliche National- und Geld¬ 
stolz hervor, doch bis nun nur in der 
harmlosen und minder abstoßenden 
Form des Jugendübermutes. Er 
brachte Leben in die Gesellschaft und 
sorgte dafür, daß es an Unterhaltung 
niemals fehle, was wahrlich nottat, 
denn kaum waren wir ausgelaufen, so 
war auch eine Windstille eingetreten, 
die Kapitän, Bemannung und Passa¬ 
giere gleichmäßig zur Verzweiflung zu 
treiben drohte, als sie länger anhielt. 
Da hörten wir eines Tages rasch 
nach einander drei Büchsenschüsse, und 
als wir uns, vom Schalle geleitet, dem 
Hinterdecke zuwendeten, sahen wir 
Sheden, die Flinte im Arme. Gleich¬ 
zeitig aber ertönte es aus dem Munde 
der erschrockenen Matrosen: „Er hat 
Sturmvögel getötet." 
Und so war es auch. Eine Schar 
dieser Sturmesboten hatte sich über 
dem Kielwasser des Schiffes gezeigt, 
und ohne jemand seine Absicht zu ver¬ 
raten, war unser junger Engländer 
in die Kajüte geeilt, hatte seinen Hin¬ 
terlader geholt und die Vögel erlegt. 
Die einen neugierig, die anderen be¬ 
stürzt, waren die Passagiere und die 
dienstfreien Matrosen nach dem Hin¬ 
terdecke geeilt. Da ließ sich die Stimme 
der alten Etau, der weißhaarigen, zu 
tausend Runzeln zusammengeschrumpf¬ 
ten Negerin, mit der Frage verneh¬ 
men: „Wie viele sind's" — Drei? Nun 
so zählt die Haifische, die hinter dem 
Schiffe herkommen." 
„Das wäre schwer, denn es sind 
wohl unzählige", lachte Sheden. 
„Und ich sage, daß nur drei werden 
gesendet werden", versicherte feierlich 
die Alte.
	        
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