Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1915 (1915)

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„Nicht alle; auch dein Vater ist 
hier." Sie winkte dem alten Manne, 
er solle zu seinem Sohne kommen. 
„Auch du, Vater?" stammelte er, 
„und ich trieb dich von mir!" 
„Rede nicht davon!" Lat der Vater. 
„Ich bin ja selbst Schuld daran. Wa¬ 
rum habe ich dich ziehen lassen!" 
Der Mutter mildes Antlitz beugte 
sich über den Sterbenden. 
„Paul, mein geliebtes Kind", flü¬ 
sterte sie, „willst du ruhig und zufrie- 
nach einer Weile: „Mutter, wir wol¬ 
len beide in einem Glauben und ln 
einem Frieden sterben, damit wir 
uns oben wiederfinden!" 
Tief neigte sich die überglückliche 
Mutter zu ihrem Sohne nieder. End¬ 
lich richtete sie sich wieder auf: „Him¬ 
melmutter, ich danke dir! Ich habe 
meinen Sohn wieder gefunden." 
Man schickte um einen katholischen 
Priester. Ohne Verzug kam er, sofort 
begab er sich in das Sterbezimmer. Ihn 
Die Nüssen verteidigen die Außenwrrke eines jforts. 
den sterben, so wie einst dein Vater 
und deine Mutter sterben werden?" 
„Ja, Mutter." 
„Dann mußt du auch in meinem 
Glauben sterben!" 
„Ich kann nicht, Mutter. Wie 
könnte Gott mir verzeihen! Wie sollte 
ich auf Barmherzigkeit hoffen, nach¬ 
dem ich den Glauben der Kindheit weg¬ 
geworfen!" 
„Siehe, ich Hin zu dir gekommen, 
obwohl du mir so weh getan hast, und 
Gott sollte weniger barmherzig sein?" 
Der Sterbende seufzte. 
„Paul, Gott ist die Liebe. Er hat 
auch dem Schächer verziehen." 
Er sah auf das Kreuzchen am Rosen¬ 
kränze der Mutter hin, dann sagte er 
schreckte nicht die gefährliche Krankheit 
des Leibes; er dachte nur an die 
Krankheit der Seele und betete, daß 
ihn der Herr gesund machen möge. 
Ein Tisch wurde mit feinen Linnen 
bedeckt und Kreuz und Kerzen hinge¬ 
stellt. Man vernahm den Klang des 
Glöckleins, welches dem Kranken das 
Nahen des Königs anzeigte, dem er so 
oft die Dornenkrone aufs Haupt ge¬ 
drückt hatte. 
Und Jesus kam und mit ihm kam 
der Friede! Es war fast Mitternacht 
und die Hand, welche die Mutter hielt, 
wurde kalt und kälter; ihre Gebete 
aber flehender und inniger. Die To¬ 
desschatten senkten sich tief auf seine 
Stirn, und plötzlich kam ein verklär¬
	        
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