Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

-Steinbrüchen, Busch und Dorn schnel¬ 
len die Bulgaren empor, formieren 
sich hastig und stürzen mit wahnsinni¬ 
gein, tierischem Heulen vorwärts. 
In den Tod? 
Fast schon haben sie die Wälle ohne 
nennenswerte Verluste erreicht. Da 
verwandeln sich diese unter sinnbetäu¬ 
bendem Donnern und Schmettern in 
ein einziges Feuermeer. Ganze Reihen 
der Angreifer stürzen nieder. Aber, 
des Stöhnens und Wimmerns nicht 
achtend, rasen die Ueberlebenden über 
die Toten hinweg, vorwärts, nur im¬ 
mer vorwärts. 
Eine zweite, eine dritte Geschütz¬ 
salve schmettert unter sie. Und dann 
setzt endlich mit so rasender Ausdauer 
das helle Klingen der Mauserbüchsen, 
das Rattern der Maschinengewehre ein, 
daß die Sturmkolonnen stutzen. Dieses 
Stutzen aber ist der Tod. Allüberall, so 
weit das Auge reicht, stürzende Kör¬ 
per, zuckende Glieder. 
Wie wahnsinnig ihre Säbel um die 
Köpfe wirbelnd, schrille Kommandos 
heulend, auf dem Fuße gefolgt von den 
blasenden Hornisten, stürmen nun die 
Offiziere vor. 
Noch einmal gelingt es ihnen, ihre 
Mannschaften in Bewegung zu brin¬ 
gen. Aber als nun ein rasender Kar¬ 
tätschenhagel unter sie prasselt, stutzen 
sie erneut. Die Pulse flattern, keuchend 
geht der Atem. Die groß aufgerissenen 
entsetzten Augen zucken blitzschnell 
rechts und links nach den Getroffenen. 
Hier schon hebt sich ein Fuß zum Wei¬ 
chen, da einer. Der bei jedem Angriff 
kritische Punkt ist da. 
Die Offiziere bemerken es, und: 
„Zurück — zurück!" gellen die Hörner. 
Zu spät! Unter den Schlägen zahl¬ 
loser aufprellender Pferdehüße erzit¬ 
tert plötzlich die Erde. Dröhnendes: 
„Allah — Allah!" läßt momentan die 
Luft erzittern, alles andere über- 
schrillernö. In toller Pace jagt die tür¬ 
kische Kavallerie heran. Wenige Au¬ 
genblicke genügen, um den Raum zwi¬ 
schen den stutzenden Bulgaren und den 
Wällen mit einer Springflut von auf- 
nnd niederwogenden Pferdeköpfen, 
hin- und hersausenden Säbeln auszu¬ 
füllen, einer wilden, verderbenschwan¬ 
geren Flut. 
„Allah — Allah!" 
Näher und näher wälzt sich die gie¬ 
rige Woge der feindlichen Kavallerie. 
Jetzt ist sie heran. Für einen Augen¬ 
blick hüllt der Rauch einer Salve alles 
in eine undurchsichtige Wolke. Und, 
als diese sich hebt, befinden sich die Bul¬ 
garen auf der Flucht, verfolgt, über¬ 
ritten, niedergehauen von den tiir- 
Unheimlich starren Blickes ist Kar- 
giew den rasch aufeinanderfolgenden 
Phasen des Kampfes gefolgt. Sobald 
die Infanterie sich zur Flucht wendet, 
schmettert sein Krimstecher zu Boden. 
Mit einem Satz ist er im Sattel und 
reißt den Pallasch heraus. Jede Fiber 
seines Körpers zuckt und zittert. We¬ 
nige leidenschaftliche Lankaden seines 
Hengstes, die Reaktion auf energische 
Sporenstiche, tragen ihn vor die Front 
seiner blitzschnell aufsitzenden Drago¬ 
ner. 
Da läßt der Adjutant des Genera¬ 
lissimus auch schon ein weißes Tuch 
flattern, während Meldereiter in tol¬ 
ler Karriere der Kavallerie zustreben. 
Kargiew wartet sie nicht erst ab. Er 
weiß, was sie bringen. Mit dem Säbel 
winkend brüllt er ein heiseres Kom¬ 
mando, das die Trompeter sofort auf¬ 
nehmen und weitergeben. Im Galopp 
setzen sich die Regimenter, die Kargiew 
für den gefallenen Kommandeur führt, 
in Bewegung und schließen sich zum 
Sturm. 
Der Oberst fliegt voraus. Dann ein 
erneutes Wirbeln seines Säbels, helle 
Trompetenfanfaren, und in sausender 
Karriere rast die festgeschlossene Masse 
gegen die Türken, die sich eilig, so gut 
es geht, sammeln und dem Feinde ent¬ 
gegenfliegen. 
Das Geschütz- und Gewehrfeuer ist 
verstummt. Momentan läßt sich auf 
dem Kampffelde weiter nichts hören 
als das Donnern der tausend Pferde¬ 
hufe, das gellende „Hurra", das 
dumpfe „Allah" der Kämpfer. Atem¬ 
los, mit hochschlagenden Herzen star- 
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