Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

mehr an und meinte zum Arbeits¬ 
bauern: 
„Es ist alles umsonst, der März 
wird ihm den Garaus geben —" 
. Stumpf blickte der Bauer dem Da¬ 
voneilenden nach und schüttelte den 
Kopf. Das hätte er sich wirklich nicht 
gedacht: so jung und schon sterben. — 
Etwas wie Mitleid durchströmte sein 
Herz und er sagte seinem Weibe nichts 
davon. Früher oder später — war seine 
Devise: Niemand kann hier auf der 
Welt verbleiben. 
Doch der Bäuerin blieb die Krank¬ 
heit ihres Seppls nicht lange verbor¬ 
gen und bald mußte sie mit Schaudern 
das Unabänderliche erkennen. Sie 
klagte aber nicht und pflegte ihn wie 
eine Mutter ihr Kind. Nur ihrem 
Manne gegenüber wurde sie täglich 
kühler und es kam ihr vor, als wäre 
sie an ihn wie an einen Fremden ge¬ 
kettet. Ihre dreißigjährige Ehe dünkte 
ihr wie ein Traum und sie sah sich be¬ 
ständig als Mädchen im Hause ihrer 
Eltern, wie sie die Kinder so gerne ge¬ 
habt hatte. 
So kam der gefürchtete März und 
mit ihm das Ende der Leidenszeit des 
armen Seppls. Abgezehrt lag er im 
Bette und hob seine Hände wie zum 
Gebete gefaltet. Die mit blauen Rin¬ 
gen umgebenen Augen hafteten starr 
an der Decke und sein Husten hatte nun 
mehr aufgehört. Ihm zur Seite saß die 
Bäuerin und als er sich leise bewegte, 
neigte sie sich über ihn und flüsterte: 
„Sei getrost, Seppl, du kommst bald 
zu deiner Mutter, die dich immer lieb 
gehabt hatte." 
Da umspielte noch einmal das ge¬ 
wohnte Lächeln den Mund des Ster¬ 
benden; doch er gab keine Antwort 
mehr. Und als man ihn aus dem Stüb¬ 
chen des Berghäuschens zu Tal hinab 
trug, da läuteten die Glocken so hell 
und die Sonne lächelte vom Himmel 
herunter, als hätten sie die Menschen 
mit ihrem Geschick versöhnt. 
Nach dem Begräbnis saß die Bäue¬ 
rin wiederum allein, während der 
Bauer da draußen über die Früh¬ 
jahrsarbeit nachdachte. Es war ihr so 
sterbenstraurig zu Mute; doch ein 
Zweifel ließ ihr keine Ruhe. Hurtig 
sprang sie auf, steckte ein Geldtäschchen 
zu sich und verließ das Gehöft. Bald 
klopfte sie vor der Türe des Dorf¬ 
baders. 
„Ich komme, um die Schuld zu be¬ 
gleichen," sagte sie zu dem alten Mann. 
„Das hätte noch Zeit gehabt," ver¬ 
suchte dieser zu lächeln und reichte ihr 
mitleidig die Hand. „Ein schwerer Un¬ 
glücksschlag, nicht wahr?" 
Die Bäuerin sagte nichts, nur ihre 
Brust keuchte gewaltig. Endlich fragte 
sie: 
„Glaubt ihr wirklich, wäre der 
Seppl nicht gestorben, wenn, wenn er 
nicht so viel hätte arbeiten müssen ?" 
Der Gefragte sah sie erstaunt an 
und wurde verlegen. 
„Die Arbeit ist von Gott," entgeg¬ 
nen er, „doch manchen Menschen tut 
sie nicht gut. Es war aber der Wille 
Gottes." 
Die Bäuerin hörte nicht mehr auf 
das andere, sie wußte genug —.„doch 
manchen Menschen tut sie nicht gut" — 
gellte es ihr in den Ohren und an dem 
Tod ihres Seppls war nicht Gott, son¬ 
dern ihr Mann schuld. Und „Mörder, 
Mörder" durchzitterte ein schneidender 
Ruf ihre Seele. 
Halb betäubt kam sie nach Hause 
und mit stieren Blicken sank sie er¬ 
schöpft auf einen Stuhl. Ihr Zweifel 
war gelöst und eine grenzenlose Ab¬ 
scheu gegen den Mann, dem sie beim 
Altar ewige Treue geschworen, er¬ 
füllte ihre Brust. Da kam dieser gerade 
herein. 
„Ich denke, wir werden morgen mit 
dem DüngerfüHren beginnen," sagte er. 
Voll Ekel wandte sie ihr Antlitz von 
ihm ab und eine furchtbare Erregung 
bemächtigte sich ihrer. 
„Arbeit nur zu!" rief sie, „mir 
kannst du kein Kind mehr morden." 
Betroffen wich der Arbeitsbauer 
zurück und glotzte sie mit weitaufge¬ 
rissenen Augen an. So etwas hat er 
von seinem Weibe noch nicht gehört. 
„Arbeit nur zu," fuhr sie mit 
i einem irren Lächeln fort: „Meinem
	        
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