Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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in Mart-ius (März), Jun-iuS usw. 
Dazu kommt noch eine weitere Schwie¬ 
rigkeit: Der Januar heißt deutlich nach 
Janus, der Gott der Tür und jeden 
Eingangs. Sollte sein Monat nicht von 
Anfang an als der erste der zwölf ge¬ 
golten haben? Aber die Tatsachen ste¬ 
hen diesem so natürlichen Schluß ent¬ 
gegen: das älteste römische Jahr, von 
dem wir wirklich etwas wissen, be¬ 
ginnt, wie gesagt, am 1. März. Eine 
plausible Lösung Her Probleme, die 
der Monat Januar der Wissenschaft 
stellt, ist noch nicht gefunden und es 
wird uns auch kaum einmal möglich 
sein, über diese Dinge zur Klarheit z« 
kommen. Aber aus diesem Beispiel 
sieht auch der Laie zur Genüge, welches 
Interesse bisweilen eine an sich ganz 
entlegene gelehrte Streitfrage für dik 
unmittelbare Gegenwart und unser 
tägliches Leben zu gewinnen vermag. 
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n 
b. 
n 
Tom Drefas schlimmste Fahr!. 
Ein Abenteuer aus dem Eisenbahnerleben von Karl Pauli. 
(Nachdruck verboten.) 
Es waren lauter Lokomotivführer, 
wohl sechzehn bis achtzehn an der Zahl, 
die sich jeden Mittwoch in Fred Watt- 
sons Bar im Hafen von Newyork zu¬ 
sammenfanden. Gewöhnlich war die 
Unterhaltung nicht sehr lebhaft, denn 
wer immer allein auf seiner Maschine 
steht, nur von seinem Heizer begleitet, 
der verlernt die Gesprächigkeit, aber 
heute fand eine Ausnahme statt, und 
wenn sonst keiner ein Wort sprach, so 
redeten sie heute alle durcheinander. 
Das Thema war allerdings ein sehr 
anregendes, man sprach von Fahrprä¬ 
mien, und darüber wußte jeder etwas 
zu sagen und jeder erhob seine Stimme 
lauter, damit ihn in dem Tumult auch 
jeder verstehen könne, wodurch der 
Lärm noch immer größer wurde. 
Plötzlich schlug einer der Männer 
mit der geballten Faust derartig auf 
den Tisch, daß Gläser und Flaschen in 
die Höhe sprangen, dabei schrie er mit 
einer Stimme, die imstande war, Tote 
zu erwecken: „Sagt, was Ihr wollt, 
die höchste Fahrprämie habe ich erhal¬ 
ten! Ja, ich! Was gilt die Wette?" 
Es war Tom Drefas, einer der 
ältesten Lokomotivführer der Union- 
Pacisicbahn, der sich auf so energische 
Weise Gehör verschafft hatte. Jetzt 
lehnte er sich in seinen Stuhl zurück 
und sah sich herausfordernd im Kreise 
um. 
Zu wetten hatte niemand Lust, nm 
einer im Kreise, ein junger Mann, ant¬ 
wortete spöttisch: „Ihr habt das Geld 
wohl in Seife angelegt?", wobei er aus 
Tom Drefas nicht eben sehr sauber! 
Wäsche anspielte. 
Tom Drefas warf dem Spreche: 
einen verächtlichen Blick zu und mur¬ 
melte etwas wie „Grünschnabel" in sei¬ 
nen Bart. Dann ries er laut: „Nein, 
ich habe es zu einem besseren Zwecke 
verwendet, ich habe es gleich nach Emp¬ 
fang unserer Witwen- und Waisenkasse 
übergeben." 
Er sah sich nach diesen Wörter 
triumphierend im Kreise um, als wolle 
er die Anerkennung für die edle Tat 
in den Physiognomien der Anwesender 
lesen, aber er sah nur verdutzte, un¬ 
gläubige Gesichter, und ein ältere: 
Kollege, ein großer Mann mit eine: 
Narbe auf der Stirn sagte trocken: 
„Warum, Tom, warum hast du das 
getan? — Hattest du das Geld nicht 
verdient?" 
„Das war's, das war's bei meine: 
Seele, du hast recht — ich hatte es nicht G: 
verdient und deshalb nahm ich es au^ nn 
nicht! Was schüttelt ihr denn da di! Le 
Köpfe?" fuhr er fort. „Ihr hättet 6 ne 
ganz ebenso gemacht — jeder! Jh: be> 
glaubt's nicht? Gut, so mögt Ihr selbst lex 
urteilen!" thc
	        
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