Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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men, und ich erwachte, um die regel¬ 
mäßigen Klänge der Pumpe, die es in 
den Kessel trieb, zu hören. 
„Meine ganze Lage — nein — noch 
nicht alles — noch nicht — doch meine 
gegenwärtige Lage preßte mir mit 
einem Herz und Seele erschütternden 
Entsetzen zum Hirn; ich wurde aber 
nicht zum zweitenmal ohnmächtig. Der 
betäubende Schreck, der mich das erste¬ 
mal ergriff, als ich das Fürchterlichste 
ahnte, machte jetzt einem belebenderen 
Gefühle Raum; ich schrie — selbst in 
dem Augenblick, in welchem ich aus 
meinem Schlaf erwachte. Die hervor¬ 
ragende Entdeckung der verschlossenen 
Oeffwung schien ebenfalls nur ein Teil 
meines Traumes gewesen zu sein, und 
ich streckte meine Arme aus und schaute 
ängstlich nach dem Platz umher, durch 
den ich hereingekrochen war, ja ich 
fühlte aufs neue wach dem Ausgang, 
um aufs neue die fürchterliche Ueber¬ 
zeugung zu gewinnen, ich sei einge¬ 
schlossen, und wiederum schrie ich, daß 
die Wände meines eisernen Sarges er¬ 
bebten. Die dumpfen Töne der 
Pumpe schienen allein höhnisch mei¬ 
nem Ruf zu antworten, während sie 
meinen Hilferuf übertäubten. 
„Endlich gab ich mich verloren — 
es ist der Kampf gegen unser Schicksal, 
der uns den Verstand verwirrt, so wir 
nicht mehr hoffen, fürchten wir auch 
nicht mehr — ich gab mich verloren 
und — wurde ruhig. Der Gedanke 
an meinen Tod, selbst an die Art mei¬ 
nes Todes fing an, mir vertraut zu 
werden; es war überdies gar nichts 
neues mehr für einen Mann, auf 
solche Art zu sterben. Tausende sind 
auf den Grund des Meeres, in den 
engen Raum eines Schiffes einge¬ 
schlossen, hinabgesunken, haben ver¬ 
zweifelnd gegen die nur zu gut befe¬ 
stigten Luken angeschlagen und sind, 
mit dem Todesschrei auf den Lippen, 
niedergerissen; aber nicht nach Leben 
schrien jene Unglücklichen, nein, nach 
dem Tod, um nur unter dem Auge, 
in der Luft des Himmels sterben zu 
können, auch ich konnte solchem Tod 
begegnen; ich sagte das, dachte es, 
fühlte es — fühlte es wenigstens eine 
Minute lang, oder wohl gar zehn Mi¬ 
nuten, ich weiß cs nicht, es kann auch 
nur einen Augenblick gewesen sein, es 
war jedoch eine Zeit, in der ich mich in 
mein Schicksal ergeben hatte. Aber, 
guter Gott, hatt' ich mich in die Art 
ergeben, als es mir gleich darauf er¬ 
scheinen sollte? — Fremder! ich fühlte, 
wie das Wasser, das meine Glieder 
umgab, heiß wurde, obgleich es jetzt 
noch nicht tief war — ich fühlte das und 
hörte in demselben Augenblick auch 
das Prasseln der Glut, die dies Wasser 
in Dampf verwandeln würde, ehe es 
hoch genug steigen konnte, mich zu er¬ 
säufen. 
„Ihr schaudert? — ja — es war 
schauderhaft; aber betäubte mich aufs 
neue das Gräßliche meiner Lage? sank 
ich wieder kraftlos und ohnmächtig 
auf den eisernen Boden zurück? Nein 
— obgleich mein Hirn fieberhaft zuckte, 
obgleich das Blut im Herzen stockte — 
dort für immer zu stocken schien, — 
wußte ich, daß ich zu heiser, zu matt 
sei, um noch schreien zu können, aber 
ich schlug — schwach erst und dann stär¬ 
ker, fast wahnsinnig mit der geballten 
Faust gegen die Wände des Kessels. 
Leute waren in der Nähe, die mein 
Klopfen hören mußten; konnte ich 
denn nicht das Scharren der Füße, das 
dumpfe Werfen der Holzscheite, ja so¬ 
gar das Lachen der Leute hören, die 
alle nur wenige Zoll von mir entfernt 
standen! Ich hörte es, aber das brau¬ 
sende Wasser, das meine Knie, heißer 
und heißer werdend, umgab, machte in 
dem dampfenden Kessel zu viel Ge¬ 
räusch, um meine schwachen Schläge 
gegen die eisernen Wände nicht zu 
übertäuben. — 
„Bis jetzt hatte ich meine Lage 
mehrmals verändert, nun aber zwang 
mich die stets wachsende Hitze des Was¬ 
sers, hin und her zu plätschern, ganz 
hinausheben konnt' ich mich nicht, und 
still zu bleiben war ebenfalls unmög¬ 
lich. Fetzt fühlte ich etwas mit dem 
Fuß — es war ein hölzerner Hammer, 
den der Schmied hier zufällig vergessen 
hatte; o, mit welcher Wollust ergriff
	        
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