Volltext: Salzkammergut-Familien-Kalender 1914 (1914)

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Gott will!" Es war sein Glück, daß er 
also gesprochen, denn hätte er frech ge¬ 
antwortet, so wäre er unverweilt der 
Hölle zugeritten. Jetzt aber erwiderte 
die Stimme von oben: „Nun, so sollst 
du jagen bis zum jüngsten Tage." Und 
noch heute jagt der wilde Jäger. Wer 
zur Neumondszeit des Nachts den 
Wald durchstreift, hört oft plötzlich in 
seiner Nähe Hundegebell und den Hus- 
schlag eines Rosses,' er vernimmt den 
Ton eines Hüfthornes und den Hallo¬ 
ruf des Jägers,' aber das Auge ver- 
mckg nichts in der undurchdringlichen 
Finsternis zu erspähen. Der Wande¬ 
rer werfe sich zu Boden und drücke das 
Gesicht ins Gras, aus daß die wilde 
Jagd über ihn dahinbrause. 
Weithin reichend ist wie der Sagen¬ 
kreis vom wilden Jäger der vom 
Freischütz. Seine Figur steht tat Mit¬ 
telpunkte einer der volkstümlichsten 
deutschen Opern. Hier noch eine Frei¬ 
schütz-Sage aus Mähren: Um die 
Mitte des 16. Jahrhunderts war die 
Burg und Stadt Jamnitz in Mähren ein 
Besitztum der Brüder Mezerzizcky von 
Lomnitz, die sich gleich ihren Vorfah¬ 
ren zur Sekte des Petrus Waldus be¬ 
kannten und die Verbreitung dersel¬ 
ben begünstigten. Das dortige Fran¬ 
ziskanerkloster, das sich jedes Schutzes 
beraubt sah, war schon zur Zeit ihres 
Vaters Heinrich von allen Mönchen 
verlassen. Gleichwohl gab es unter 
den Untertanen manche, die treu und 
fest bei der ererbten Glaubenslehre 
blieben. In dem nahen Dorfe Paly- 
witz lebte ein Schenkwirt namens Bar¬ 
tosch, der zu diesen gehörte und mehr 
als alle andern den Abzug der Mönche 
von Jamnitz beklagte. Ein Hagelschlag 
vernichtete eines Tages seine Felder, 
und so mußte er in seiner Dürftigkeit 
Treiber- und Frondienste tun. Ver¬ 
zagt saß er bei Einbruch der Nacht in 
einem Walde und seufzte: „Ach, wäre 
ich ein Jäger!" Da trat ein stattlicher 
Mann, mit Hahnen- und Pfauenfedern 
aufgeputzt, an ihn heran und sprach: 
„Wenn du mir das gibst, wovon du 
noch nichts weißt, so sollst du bereits 
morgen als Weidmann deinem Grund¬ 
herrn lieb und wert sein." Und der 
fremde Jäger gab ihm drei gesicherte 
Bolze. Da Bartosch an der Güte der¬ 
selben zweifelte, legte sie der Jäger 
auf und schoß einen Raben von der 
höchsten Eiche, bald darauf eine Fle¬ 
dermaus in ihrem ungewissen Fluge, 
und da eben auch eine Eule aus dem 
Dickicht aufflatterte, schoß er auch diese. 
Höchst erregt von dem eben Gesehenen, 
willigte Bartosch in das seltsame Be¬ 
gehren und schloß den Vertrag, giltig 
nach 24 Jahren an dem heutigen, dem 
fünften Tage des Oktober) statt der 
Unterschrift verlangte der Fremde drei 
Blutstropfen. Bald hatte Bartosch 
Gelegenheit gefunden, da der Jäger 
des Grundherrn krank geworden, bei 
einem abgehaltenen Jagdfest derart 
durch seine Kunst Aufsehen zu machen, 
daß er zu dem ersten Jäger der Burg 
angenommen wurde. Zu seinem neu¬ 
gefundenen Glück kam auch die 
Freude, daß ihm ein Knäblein gebo¬ 
ren wurde. An dem Tage der Geburt 
erschien auch der Fremde und hinter¬ 
ließ ein funkelndes Goldstück. Bar¬ 
tosch erschrak schier bei seinem Anblick, 
denn ein peinigender Gedanke wollte 
ihn nicht verlassen, und ob schon Jahre 
seit dem Besuche des Fremden vergin¬ 
gen, Bartosch war seiner Tage nicht 
mehr froh. Heute war er eben 24 Jahre 
und Bartosch, der mit fieberhafter See¬ 
lenangst den Tag erwartet hatte, es 
war der 1. Oktober des Jahres 1584, 
teilte seinem Beichtvater das frevel¬ 
hafte Geheimnis mit. Zur Buße wall- 
fahrtete er nach Przibislawitz, wo ein 
häufig von Wallfahrern besuchtes uni 
mit vielen Wundern leuchtendes Ma¬ 
rienbild verehrt wurde. Hier betete« 
sie alle vier Tage lang und empfingen 
das Sakrament. Der 5. Oktober war 
ein Sonntag. Tausende von fromme» 
Gläubigen eilten auf den Ruf der 
Glocken in die Kirche. Mitten unt« 
ihnen kniete Bartosch mit Weib uni 
Sohn zerknirschten Herzens. Da be¬ 
stieg der Pfarrer die Kanzel und er¬ 
schütterte durch eine Predigt von den 
größten Gebote (Matth. ::.) und voi 
den ewigen Strafen der Gottlosen di> 
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