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Nachdruck mit Quellenangabe gestattet'
Eine Hinrichtung in Oesterreich.
Von Dr. jur. Rudolph Granichftaedten-Czerva.
In Oesterreich besteht seit alters-
her die Todesstrafe. Nur in dem Zeit-
räum von 1787 bis 1803 abgeschafft,
wurde sie in letzterem Jahre wieder
für Hochverrat, Mord, räuberischem
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isai
Volkstrachten in Äagufa.
Totschlag, Brandlegung und einige
Fälle der öffentlichen Gewalttätigkeit
eingeführt. Voraussetzung ist jedoch,
daß der Täter zur Zeit der Begehung
des Verbrechens bereits das 20. Le-
beusjahr zurückgelegt hat. Die Todes-
strafe wird in Oesterreich durch den
Strang vollzogen.
Die Vorbereitungen und den Her-
gang einer solchen Hinrichtung wollen
wir nun im folgenden schildern.
Hat der Schwurgerichtshof ein To-
desnrteil gefällt, fo nimmt er nnmit-
telbar nach dessen Verkündung mit Zu-
ziehnng des Staatsanwaltes in Bera-
tnng, ob der Verurteilte einer Begna-
dignng durch Se. Majestät den Kaiser
und König würdig erscheine oder nicht.
Das hierüber aufgenommene geheime
Protokoll wird samt den Akten öem
k. k. obersten Gerichts- und Kassations-
Hof übermittelt, welcher es unter Bei-
füguug seines Gutachtens im Wege des
Justizministeriums der Kabiuettskauz-
lei einsendet. Diese unterbreitet es
dem Kaiser, welchem nun über Leben
oder Tod des Verurteilten die höchste
Entscheidung zusteht. Wird das Todes-
urteil bestätigt, so wird hievon den un¬
teren Gerichtsbehörden sofort Mittei-
lnng gemacht und der Scharfrichter zur
Ausübung' seines schweren Amtes be-
rufen.
Erst wenn die Stunde der Hinrich-
tung festgesetzt werden kann, begibt sich
eine größere Gerichtskommission in die
Gefängnis-(Mörder-)Zelle des Verbre-
chers und verkündet ihm ernst und
feierlich die Bestätigung des Todes-
nrteiles. Sodann wird der Delinquent
aufgefordert, das die Bestätigung be-
inhaltende Protokoll zu unterfertigen.
Nicht selten kommt es vor, daß der von
Schreck fast gelähmte Todeskandidat
die Unterzeichnung des Protokolles
verweigert.
Ist diese Zeremonie, bei der auch die
ältesten Kriminalbeamten von Ergrif-
senheit übermannt werden, vorbei, so
wird der Delinquent von Justizwach-
leuten und Aufsehern eskortiert in die
Armensünderzelle gebracht. Diese ist
ein ziemlich großer, zweisensteriger
Raum, der die Bezeichnung „Kranken-
zelle Nr. 2" trägt und zur ebenen Erde
desGefängnisses liegt. An derStirnseite
steht ein langer Tisch mit weißen Lin-
nen bedeckt. Auf demselben befindet sich
das Kruzifix,' vor diesem stehen zwei