3m Schneesturm
Unaufhörlich fällt der Schnee. Immer dichter hüllt er die Gegend
ein. Da und dort glimmen noch die Gluten in den angezündeten Maga¬
zinen und Depots, steigen Rauchsäulen auf und knattern die in den noch
brennenden Munitionslagern von den Flammen zur Entzündung ge¬
brachten Patronen. Ein eisiger Wind fegt von den Karpathen her, er
schneidet und sticht ins Gesicht. Bald setzte ein Schneesturm ein, ein
orkanartiges Schneetreiben, das an Grausigkeit und Furchtbar¬
keit alles übertrifft, was ich je erlebt habe. Noch heute, wo in der Erinne¬
rung die Farben verblaßt sind und alle Gefahren im milderen Lichte er¬
scheinen, überläuft mich ein Grauen, wenn ich an diesen Schneesturm
denke. Es war, als ob die Lölle ihre furchtbarsten Geister losgelassen
hätte, um hier in letzter Stunde noch alles zu vernichten, was der Krieg
verschont hatte. Es war ein übermenschliches Ringen gegen diesen
unbeschreiblich grausigen Orkan. Ich habe Schneestürme im Kaukasus
von ungeheurer Furchtbarkeit erlebt und habe in den Bergen Maze¬
doniens, als ich die Lohe Dudica im Schneesturm Ende November 1917
überschritt, manchen schweren Augenblick gehabt, als es an steilen
Schluchten und Abgründen vorbeiging und in stockdunkler Nacht der
Schneesturm uns durch das wildzerrissene Felsmassiv hindurchpeitschte —
aber was ich hier erlebte, war noch viel grausiger. Beschreiben läßt es sich
nicht. Rettungslos preisgegeben den ungestümen Naturgewalten! Jedes
Entgegenstemmen vergebens, willenlos hin- und hergeworfen. Solange
die erstarrten Lände die Zügel halten konnten, half man dem schwer¬
keuchenden Pferde. Ansere braven Pferde, unsere treuen Gefährten in
Not und Gefahr! Bald waren wir von einer dichten Eisschicht über¬
zogen; unmöglich war, sich noch zu bewegen. Immer höher türmte sich
der Schnee auf, immer schneidender und reißender wurde der Sturm. Die
Truppe stampfte und stampfte, keuchte und keuchte. Die armen Kerle! Es
schnitt mir ins Lerz. And man konnte nicht helfen. Die Artillerie blieb
zunächst liegen. Es war unmöglich, die Geschütze durch die Schneemassen,
die sich auftürmten, zu bringen, obwohl die Pferde sich mit vollster
Wucht in die Sielen legten, während die Leute in die Räder griffen. Erst
am Nachmittag gelang es, die Geschütze nachzuziehen. Ein Glück noch.
4
49