Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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Er hat dabei Zeit, darüber nachzudenken, was 
ihm die Bachhuberin alles zu tun, zu beschauen und 
auszukundschaften, empfohlen hatte, und wie er 
sich dabei alsowohl auch zu benehmen habe, da er 
nicht in die feinnervige Stadt, sondern eben auf 
das Land entsandt sei. Und er denkt und lacht mit 
seiner ganzen Jugend und es fällt ihm auch ein, 
daß er nun bald noch weiter vorwärts komme in 
seiner Arbeit, denn erst gestern hatte man ihm ge 
sagt: „Grabinger, Sie haben Aussichten!" 
Kimmerling liegt nicht weit von der Bahn und 
ist ein schönes Dorf; alles ist schön sauber beiein 
ander, aber am nobelsten steht schon das Wirts 
haus da. Der Hans tut, wie ihm geheißen und 
birscht sich erst um das Gehöfte herum und sieht 
bald, daß sich die Sache gut anschaut; ein wenig 
sonderbar ist ihm aber dennoch zu Mute, wie er 
dann in die Wirtsstube tritt, doch der Schalk sitzt 
ihm immer noch auf den Schultern. 
Da kommt auch schon ein Weiberleut herein, 
aber ein Mädel ist das schon, grad schön zum An 
schauen, schwarzäugig und schwarze Haare hat es 
auch. Einfach nobel. Vielleicht, denkt der Hans, 
ist das die Liesel? 
Er gibt sich, wie es ihm geraten von der Bach 
huberin, und kaum, da sie das Krügel auf den Tisch 
gestellt, sagt er: „So, Liesel, jetzt bist brav!" (Unter 
bäuerlichen Landsleuten ist das „Du" gebräuchlich!) 
„Aber na, jetzt wird's recht?" fragt sie ganz paff 
mit einer wunderfeinen Stimme, kennen Sie . . . 
kennst mich denn du?" 
Sie ist einfach angezogen, schier fein möchte man 
es heißen: aber dennoch nicht aufdringlich oder gar 
überspannt. Und ihr ganzes Reden und Sichbe- 
wegen hat etwas sehr Manierliches an sich. 
„Ob ich dich kenn' . . . Nein, aber das merk' ich 
doch schon auf hundert Stund, daß du Liesel heißt, 
so ein Derndel. . ." 
„Du bist aber gar ein Schlauer . . .?" 
„Grad so schlau, als wie du!" 
Die Liesel schaut den Hans an und immer wie 
der an. Ist jetzt das ein Bauer oder nicht, denkt sie 
und sie sinniert dabei hin und her, dies und das, 
stößt einen Gedanken auf die Seite und denkt einen 
anderen wieder von vorne. Dabei funkeln ihre 
Augen so spaßig. 
„Aber von unserer Gegend bist nit?" fragt sie. 
„Nein", lacht der Hans, „von einer anderen!" 
„Bist etwa geschäftlich in Kimmerling, wie?" 
fragt sie wieder. 
„Ja und nein!" 
Die Liesel schaut den Hans wieder so spaßig an, 
denkt hin und her, wirft wieder einen Gedanken 
auf die Seite und lust und lurt. 
„Ein schönes Sach' habt ihr da beieinand!" sagt 
der Hans. „Wieviel Grund ist jetzt da dabei?" 
„An die hundertfünfzig Tagwerk . . . Das An 
wesen ist schuldenfrei!" 
„Sosoo ..." 
Der Liesel geht ein Lichtlein auf und sie denkt 
wieder was und schaut den Hans verstohlen von 
der Seite an. Leicht gefällt er ihr gar? 
Der Hans besieht jetzt die Rehgewichteln an der 
Wand, die hölzernen Schwalberl und auf einmal 
kommt sein Blick mitten in die Augen der Liesel 
und der Liesel gibt es frei einen Riß und sie schaut 
auch in die Augen vom Hans und das ist soviel 
schön, daß sie ganz rot wird und der Hans jäh 
lings das Husten anfangen muß. 
„Der Bachhuber Toni", denkt sie, „ja, der Bach 
huber Toni ist es!" Und sie plaudern lustig dahin, 
vom Wetter, von der Wirtschaft, von der Stadt, 
in der die Lies schon bei Verwandten war und 
dabei vergeht auf die schnellste Weise ein Ständ 
lein. Der Hans strahlt und leuchtet wie ein Jo 
hanniskäferlein im Juni. 
Mittendrein lacht die Liesel heraus: „Weißt, wer 
du bist?" 
„Ra!" schmunzelt der Hans. 
„Meinst, ich bin so dumm?" sagt sie, „der Toni 
von Himmelhofen bist!" 
Der Hans hat eine solche Freude, weil er der 
Toni ist; grad lachen muß er immer und die Lie 
sel trägt aber jetzt ordentlich auf, Braten, nachher 
Würste, immer auftragen tut sie und der Hans 
möchte schier wünschen, daß sein Buckel Bauch 
wäre, indem allmählich Platzmangel eintritt. 
Herrjeh, wie sie disputieren und lachen und dem 
Hans wird immer wärmer ums Herz, so eine 
liebe, gute Gesellschafterin ist die Liesel; so eine 
unverfälschte, daß er sich selber nimmer kennt, so 
heimlich und traulich ist ihm ums Herz. 
Glücklich lacht der Hans. 
Glücklich lacht die Liesel. 
„O, mein lieber Toni!" seufzt sie. 
„O, meine liebe Liesel!" schmeichelt der Hans. 
Aber tief drinnen liegt ihm doch ein Stein, wenn 
er mitunter an den echten Toni denkt. Himmel, 
der wenn . . . 
Es wird allmählich Zeit, daß er sich auf die 
Heimreise macht. 
„Komm bald wieder, gelt, lieber Toni . . . !" 
„Ja, bald komm' ich wieder. Liesel, bald . . ." 
Auf dem Weg zur Bahn klopft ihm der Herz 
hammer laut aus der Brust. Ja, wo die Liebe hin 
fällt, da bindet sie schnell. 
* 
Das war eine grausige Nacht für den Hans. Wie 
ein Rächer erschien ihm der echte Toni im Traum. 
Was tun, fragt er sich hundertmal am Tag. Was 
soll ich tun, tun, tun . . . ? Dazwischen klingt ihm 
immer das liebe Stimmlein der Liesel in den 
Ohren, wie ein Glöcklein. Wie umgewandelt ist der 
Hans. 
„Was ist es denn mit dir? Ist dir nicht gut?" 
fragt die Mutter ängstlich. 
Da klopft es aber schon in aller Frühe und der 
Bachhuber Toni tritt in die Stube.
	        
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