Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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Der pfiffige Botschafter 
Von F. 3. Biersack 
Palmsonntag ist es; ein heiligschöner Morgen, 
wie er mit glitzernden, frühlingsweichen Händen 
über das Dorf streicht und die zarten, segelnden 
Wolken am Firmament, Tauben gleich, in die Welt 
schickt, über die Berge hin, über die Täler hin, in 
lenzige Wanderschaft. 
In Himmelhofen ist eben die Kirche aus; die 
letzten Orgeltöne brausen aus den Pforten; die jun 
gen Burschen stehen auf dem Dorfplatz, plaudern 
und lachen, die Hüte schief auf den Köpfen, kräf 
tig und keck, als könnten sie jeden Augenblick über 
den Kirchturm springen oder das Wirtshäusel in 
den Janker stecken. 
Auch die Bauern tun sich da und dort noch auf 
ein Wort zusammen, den einen oder andern reißt 
es auch auf ein Seidel zum Wirt hinein; aber die 
Weiberleut' trachten heimzu, stülpen und klufern 
die langen Oberröcke auf und tuscheln und wispern 
und ratschen beim Gehen, daß sich die Bäume 
biegen. 
Die Sonne steht golden am Himmel; bacherl- 
warm läßt sie sich schon an. Lerchen kringeln mit 
ihrem Jubel in die blaue Höhe und die Palm 
büschel schimmern silbern auf Weg und Steg, grad 
jung und schön ist die Welt. 
Auch die Bachhuberin ist schon auf dem Heim 
weg; sie ist ein altes Leut und in den Jahren, wo 
eins ans Übergeben denken muß. 
Neben ihr stapft der Toni, ihr Bub, daher; das 
ist sonderbar. 
„Hm . . ." räuspert er sich. 
„Was meinst?" fragt die Bäuerin. 
„Ich hab' nix gesagt!" antwortet der Toni. 
„No — und ich hab's gemeint. . ." 
Die Bachhuberin macht jetzt heillose Schritte, 
grad notwendig hat sie es. Wird schon wissen 
warum. Der Bub ist ein heimlicher und schein 
heilig geht er neben ihr daher. 
„Die Müllerbabett ist auch in der Kirche ge 
wesen!" sagt er. 
„Soso —, naja, die ist öfter drin . . ." 
„Ich meinert halt, weißt, die Babettl . . . ?" 
„Was? — Die Vabett, die dicke Nocken, die 
reinste Krautstauden, da wenn du mir nicht gehst, 
mit der . . ." 
Auf diese Weise ist die Bachhuberin eine Han 
tige; überhaupt wenn eine übergeben soll, ist eine 
jede hantig. 
„Und die Wacherlmarie ist auch gewesen", sagt 
der Toni wieder, nur so beiläufig. 
„Das gehört sich auch! Ein junges Leut g'hört 
sich in die Kirche am Sonntag!" 
„No, halt auch, ich meinert halt, weißt, das 
Marei ..." 
„Was? D' Marie? Hinten dürr und vorn ma 
ger, wannst du sonst nix weißt, darfst dich drük- 
ken . . .", lacht die Bäuerin bitter und hart. 
Die Bachhuberin ist eine ganz Harbe aus diese 
Art; überhaupt wenn eine übergeben soll, ist eine 
jede Harb, nicht nur die Bachhuberin. 
„Die Zankerlnanni hab' ich auch gesehn", fängt 
der Bub nochmal an. 
„Ich glaub's schon! Die kannst öfter sehen . . ." 
„Ich hab' mir halt denkt, weißt, das Nannei..." 
„Meine liebe Zeit, das Nannei, da heißt es 
auch: Einen Rock und einen Gott!" 
Jetzt macht die Bachhuberin Mordstrümmer 
Schritte; der Bub ist imstand, denkt sie, und bringt 
noch das ganze Bezirksamt daher, freilich, es 
braucht ja weiter nichts, als sich in den Hof hocken 
und Bäuerin spielen, da hast recht. 
Ja, das Übergeben ist hart. 
Droben auf dem Hügel steht der Bachhuberhof; 
stolz und mächtig schaut er ins weite Tal mit schim 
merndem Gemäuer; er ist der größte Hof weitum. 
„Mein Hof!" denkt die Bäuerin und geht in die 
Küche. 
„Mein Hof!" sinniert der Bub und drückt sich in 
seine Kammer hinüber. 
Und die Sonne lacht und die Lerchen jubeln 
über den Acker dahin. 
* 
Die Bäuerin sitzt am Fenster und schaut eine 
Zeitlang ins Tal hinunter, blinzelt auf und ab und 
nachher fängt sie das Stricken an und die Stunden 
vergehen dabei, bis sich eins umschaut; zuletzt 
nimmt sie das Blatte! (Zeitung) und beginnt zu 
lesen. 
Mittendrein aber tut sie einen Schrei, ganz er 
schrocken. 
„Jetzt hab' ich sie!" schreit sie. 
„Was hast?" fragt der Toni, wie er eben zur 
Türe herein kommt. 
„Deine Hochzeiterin hab' ich", sagt sie wichtig. 
„Jst's gewiß wahr?" 
„Ja, ganz gewiß!" 
Es ist nämlich ganz etwas anderes, wenn die 
Bäuerin eine Hochzeiterin hat für den Toni, als 
wenn der Toni eine Schwiegertochter hat für die 
Bäuerin. Wie gesagt, das sind zwei Paar Stiefel 
und die Maus beißt da keinen Faden ab. 
„Da les!" sagt die Bäuerin triumphierend und 
der Toni nimmt das Blatte! in die Hand und liest: 
Landwirtstochter, 24 Jahre, hübsch, tüch 
tig, mit Herzensbildung u. Verm., sucht 
braven, tüchtigen Landwirt, zw. sp. Ehe 
kennenzulernen. Briefe . . . usw.
	        
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