Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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Es sind nun schon über hundert Jahre seit jener 
Christnacht vergangen, in der dies echt deutsche 
Lied zum ersten Male in der Dorfkirche zu Arns 
dorf im Salzburgischen gesungen wurde. Die an 
dächtig lauschenden Zuhörer ahnten wohl nicht, 
daß sie der Erstaufführung eines Liedes beiwohn 
ten, das sich die ganze Welt erobern würde. 
Adventzeit war es. Dick verschneit lagen Weg 
und Steg und nur vereinzelt klang noch das Jauch 
zen der schlittenfahrenden Jugend. Denn schon 
spannte der Abend seinen Sternenmantel über die 
müde Welt und der Mond überflutete sie mit sei 
nem Silberlicht. Kalt war es, daß die Eisschollen 
krachten und der Schnee unter den Tritten hart 
knirschte. Da stürmte einer daher, mit leichten, ra 
schen Schritten und fliegendem Mantel, zurückge 
schobenem Hute und seine jungen Augen lachten 
den Mond an. So rannte er an dem Bürgermei 
ster des Ortes, ohne ihn zu sehen, vorbei, der mit 
schweren, bedächtigen Bauernschritten und dick ver 
mummt daherkam. „Narr!" schalt ihn der, „drei 
mal verrückter Narr! Zigeuner!" Da ihm augen 
blicklich kein ärgerer Schimpf einfiel, schnaufte er 
wütend weiter. So etwas hatte man in Arnsdorf 
zum Lehrer! Eine Schande war es! Und der, der 
wagt es in ohnmächtigem Grimm schüttelte 
er seine Fäuste gegen die Richtung, in der Franz 
Gruber, der Lehrer, verschwunden war. 
Der hatte indessen den Psarrhof erreicht und 
klopfte stürmisch an die Tür seines Freundes, des 
Kooperators Josef Mohr. 
Impflssty- 
Erzählung von Flora Läufer 
„Nur herein!" rief eine Helle Männerstimme. 
Der Lehrer flog auf ihn zu und umarmte ihn: 
„Grüaß di Gott, Hochwürden!" Lachend befreite 
sich der junge, blonde Geistliche und sagte: „Aber 
geh, was hast denn, spinnst leicht wieder —" 
„Wieder, sagt er! O du ahnungsvoller Engel! 
Noch nie hab' ich so g'sponnen wie heut —" Er 
warf Hut und Mantel in eine Ecke. „O du liabe, 
heilige Adventzeit! Du, Sepperl, a Wunder is 
g'schehn! Heut in der Früh nach der Rorate, da 
hat der heilig' Petrus das große Himmelstor a 
wengerl offen lasten und da is ihm a Trumm Se 
ligkeit auskemma und direkt da eini g'flogn!" Er 
schlug sich dröhnend auf seine breite Brust. „Ma- 
rand Josef, ich bin heut ganz.narrisch!" 
„Das kennt ma, mein Franzl! Ja, geh, wirst 
denn du gar nimmer g'scheit?" „Es is net unmög 
lich!" entgegnete der Lehrer tiefsinnig. „Sag mir 
amal, Hochwürden, bist du a schon amal verliebt 
g'wesn?" 
„Also weißt, das kannst doch von mir wirklich 
net verlangen!" lachte der Kooperator, während 
ihm eine helle Röte in die Wangen stieg. „Aber 
du bist es, mir scheint, stark! Die Bürgermeister 
Agnes, was?" 
„O du neunmal Gescheiter!" Wieder wollte 
Franz den Priester umarmen. Doch dieser drückte 
ihn auf einen Sessel. „Jetzt bleibst mir da amal 
sitzen und redst wie a vernünftiger Mensch. Also 
nach der Rorate — also — no, was war da?" 
„Also, ich hab' dir's ja schon g'sagt: ein Wunder! 
Schau mi net so wild an, liaber Hochwürden! Also 
da kommt die Agnes und sagt zu mir " Der 
warme Glanz seiner nachtschwarzen Augen ver 
tiefte sich und er horchte glücklich lächelnd in sich 
hinein, als lausche er einer lieben Mädchenstimme. 
„Nun?" 
„Ach ja, also sie sagt zu mir: Heut' is's aber 
heil!"
	        
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