Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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Zu Tod erschrocken, riß der junge Bursch sich von 
dem grauenhaften Anblick los und eilte in unsag 
barem Entsetzen in die Mühle hinunter. 
Dort meldete er, selbst totenbleich, was er ge 
schaut. „Eine Frau — tot — eine Leiche — furcht 
bar " 
Die vier anwesenden Geschwister sahen einander 
wortlos an. Dann gingen sie alle sofort mit dem 
Adjunkten in den Hof hinauf, er solle sie hinfüh 
ren und ihnen die Leiche zeigen. 
Der Jüngling ging mit ihnen auf die Tenne — 
wo niemand lag. Nur ein wenig Spreu war am 
Boden verstreut. 
„Wo ist sie gelegen, an welcher Stelle?" forschte 
der junge Ingenieur. 
Der Adjunkt bezeichnete genau den Ort. 
Sofort rissen die Geschwister und er den Boden 
auf, begannen zu graben — und fanden nichts. 
Der Schweiß stand den jungen Leuten auf der 
Stirn. Endlich hielten sie ein. 
Wieder einmal wurde von ihnen allen der ganze 
Hof vergebens durchforscht, so wie ihn vor fast 
dreihundert Jahren die Bäuerin Susauna umsonst 
durchsucht hatte. „Nichts — nichts!" 
Verstimmt kehrten sie alle wieder in die Mühle 
zurück. 
Trotzdem sie nichts gefunden hatten, stand es 
jetzt für sie fest, daß hier wirklich einmal etwas 
Schreckliches geschehen sein mußte. 
Sie hatten nun alle ein wachsames Auge, so oft 
sie in den Hof hinaufkamen, aber nichts konnten 
sie entdecken. Das Haus behielt sein Geheimnis. 
Nach einigen Jahren, als der junge Bruder hei 
raten wollte, verkauften die Geschwister den Hof 
doch, teilten die Gründe und behielten sich nur die 
Mühle. Es hatte sich nun doch ein Käufer gefun 
den; in der Nachkriegszeit wurde jedes Gebäude 
verwertet. 
Der neue Besitzer richtete sich das Gehöft ein 
und bewirtschaftete und bewohnte es wieder mit 
seiner Familie, hielt auch Knechte und Mägde. 
Wieder — nach langer Zeit — wurde nach rechter 
Bauernweise in dem Hof gearbeitet. Er war end 
lich wieder ein Bauernhaus geworden, wie es sein 
sollte. In den so lange verlassenen Räumen regte 
sich wieder tätiges Leben. 
Der neue Herr mußte aber bald einsehen, daß 
sein Besitz kein angenehmer Aufenthaltsort war. 
Dennoch harrte er aus. Er hatte das Anwesen nun 
einmal und war froh, irgendwo ruhig sitzen zu 
können; es war trotz allem ein Heim, wie es viele 
jetzt nicht hatten. 
Er stellte eine elektrische Futterschneidemaschine 
ein, und zwar auf der Tenne. 
Im Jahre 1927 wurde dort eines Tages ein 
Arbeiter vom elektrischen Funken erschlagen. Eine 
der Schwestern aus der Mühle eilte auf die Un 
glücksbotschaft teilnahmsvoll herbei. „Wie ist das 
gekommen? Wie hat das geschehen können?!" 
Die Leute im Haus aber waren ratlos und ga 
ben verworrene Antworten. Da lief die Müllerin 
selbst nach der Unglücksstätte — und sie mußte mit 
Schauder sehen: der Tote lag genau auf derselben 
Stelle, wo der Adjunkt die schwarze Frau hatte 
liegen sehen. 
Wieder ging ein Geraune durch das Haus und 
durch den ganzen Ort. Wieder war ein Unglück 
geschehen in dem unheimlichen Hof. 
Der tote Knecht wurde im Hause aufgebahrt. Als 
der katholische Geistliche zur Einsegnung kam, wa 
ren alle Teilnehmer besonders ernst, auch der 
Priester. 
Er war ergriffen. Er hatte Mitleid mit dem auf 
dem Felde der Arbeit Gefallenen — und auch er 
muhte immerzu an die alte Sage denken. Er be 
tete still zu Gott, er möge alles wenden, zum Bes 
seren, zum immerwährenden Frieden. Er flehte 
den Allmächtigen um die Gnade an, durch seinen 
Segen das unglückliche Haus von dem Spuk be 
freien zu können. 
Auch zwei der evangelischen Schwestern standen 
als Nachbarn nahe dem Sarg. Als der Geistliche 
die Totengebete sprach, faßte er all seinen besten 
Willen zusammen, „Requiescat in pace“ — 
Ruhe in Frieden — er sagte es nicht nur für den 
Dahingegangenen, er sagte es für das ganze Haus 
und schloß die schwarze Frau darein. Er sprengte 
das Weihwasser kräftig aus — auch in der Rich 
tung gegen den Tenn hin. 
Andächtig bewegte sich der Menschenzug zum 
Friedhof. So hatten die Leute noch nie gebetet. 
Sie waren alle, alle eines guten Willens, sie de 
mütigten sich vor Gott und wünschten innig, der 
Jammer möge enden, die Toten mögen in Frie 
den ruhen! 
Und seit jenem Unglück, seit jenem Leichensegen, 
seit jenem Leichenbegängnis, ist wieder Ruhe auf 
dem Hof. 
Humor 
In der Hitze des Gesprächs 
„Darf man fragen, wie alt Sie sind, Fräulein 
Vera?" 
„Dreiundzwanzig Jahre!" 
„Und Ihre jüngere Schwester?" 
„Die ist sechsundzwanzig!" 
Eine Perle 
„Kann ich den Herrn Direktor sprechen?" 
„Worum handelt es sich?" 
„Ich habe hier eine Rechnung " 
„Der Herr Direktor ist gestern aufs Land ge 
reist!" 
„ die ich bezahlen wollte!" 
„Aber er ist heute früh zurückgekommen! Bitte 
treten Sie doch näher!"
	        
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