Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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„Ja!" sagt der heilige Petrus, „Leni, bei uns 
heroben, da kannst es grad haben wie du willst — 
geh nur grad einmal weiter einer!" 
Anfänglich ist die Leni natürlich arg verschüch 
tert und die Augen tun ihr fast' weh vor lauter 
Licht und Glanz. Und gar nicht recht auftreten 
traut sie sich im himmlischen Revier; aber da 
kommt schon der Erzengel Michael daher und er 
klärt ihr alles und legt es ihr schön auseinander. 
„Sieh", sagt er, „da drenten is das Sommer 
abteil, da herüben haben wir unser Frühjahrsgar- 
terl und dort, wo die Kinder so lachen, da is das 
Winterkammerl I" 
Hellauf lacht die Leni und rennt gleich in das 
Sommerabteil. O du liebe Zeit! Da hat sie es gut 
getroffen! Eben sind die Engel beim besten Ernten. 
Flugs fällt da von der Leni die ganze Verlegen 
heit ab; denn die Handgriff' dieser Arbeit sind ihr 
nicht fremd. Grad eine Freud' ist es! Die Halme, 
diese Körndel. Trümmer — und schön wie eitel 
Gold! Und alles schlaunt so wunderbar schnell und 
die Engerl singen dazu wie die leibhaftigen Ler 
chen. 
Kein Wunder, daß ihr sakrisch heiß wird. Da 
macht sie sich gleich ins Herbstkammerl hinüber 
zum Abkühlen. O jögerl, wie schön da die Sonne 
herbrennt, ganz rot und gar nit heiß, grad recht 
halt, wie im Herbst. Und lauter alte Leuteln sitzen 
da herum, so müde, brave Leuteln . . . 
Auf einmal ist sie dann im Frühjahrsgarten. 
Himmelsschlüssel leuchten, Gänseblümchen, Antlaß- 
rosen, soviel Blumen. Und eine Luft weht da, ker 
nig wie ein Jakobiapfel. Erst die Vögel alle, die 
Schwalben, die Finken, die Nachtigallen . . . Ganz 
leicht wird ihr und dahinschweben tut sie, wie eine 
Schneeflocke im sonnigen Winter. 
Mittendrein huscht ihr ein Engel entgegen, hält 
vor ihr und wispert: „Bist es — oder bist es nit?" 
Die Leni besinnt sich eine Weile. „Ich bin die 
Leni!" 
„Und ich die Ev! Leni, kennst du mich nimmer?" 
Himmeldreitausendstern, die Ev! Gleich geht das 
Erzählen an, von der Schul' da unten, vom Dorf, 
von der Einöd und allerhand halt. 
Auf einmal gibt es der Leni einen Riß; weil sie 
nämlich an den Marti hat denken müssen. 
„Du Ev", sagt sie. „wo ist denn nachher da die 
Himmelmutter?" 
Die Ev nimmt sie bei der Hand und eine Weile 
fliegen sie dahin. „So . . ." tuschelt die Ev leis. 
„Dort!" 
Zwei riesige silberne Wolken schweben am Ein 
gang. Der Stern von Bethlehem brennt heilig 
dahinter. 
Sinnend sitzt die Himmelmutter auf ihrem 
Thron. 
Sie lächelt fein, wie sie die Leni sieht. 
„Kind, komm!" 
Durch und durch geht der Leni diese Stimme; 
so mütterlich, so voll der Gütö ist ihr Klang. 
„Du bist vom Land", spricht die Himmelmutter, 
„von der Einöd gar, o, dort sind gute Menschen; 
dort gibt es noch Feldkreuze und Kapellen, dort 
fangen sie den Tag noch mit dem Herrn an, dort 
haben die Menschen noch ein Herz im Leib und 
Hirten gibt es dort wohl auch?" Innig lächelt die 
Gottesmutter und denkt dabei froh an die Hirten 
von Bethlehem. 
„Ja, das alles gibt es bei uns!" lispelt die Hem 
und erzählt alles, alles, auch vom Marti, der allein 
da unten jetzt hausen muh. 
„Leni", sagt die Himmelmutter, „auf der Erde 
ist es immer ein schweres Sein. Jedes, das auf die 
Erde kommt, trägt sein Ringlein ums Herz. Von 
der Schlange und vom Fluch kommt dies noch her. 
Rur wenige sind da unten, Kind, die dieses Ring 
lein ums Herz nicht haben; die allein sind dort 
unten in der Mühsal schon glücklich und werfen 
keinen Schatten und wenn sie reden, klingt es wie 
ein Glöcklein . . ." 
Da fühlt die Leni, wie ihr ganz leicht wird, so 
leicht, und da weiß sie, daß das schwere Ringlein, 
das ihr Herz in Fesseln schlug, längst gesprungen 
sei, und vor Freud' muß sie das Singen und Ju 
bilieren anfangen, wie ein rechter Engel. 
„Komm...!" sagt die Himmelmutter und schwebt 
ihr voraus. 
Die Leni zittert vor Glück. Was mag nun 
kommen? 
Auf einmal ist die himmlische Frau verschwun 
den. 
Ein Schweben und Schwingen vernimmt sie. 
Himmel, wer kommt denn dort daher? 
„Muatter!" jubelt die Leni. 
„Leni, weilst nur grad da bist!" sagt die Ein 
öderin sanft und drückt die Tochter an sich. „Ich 
hab' dich ja g'holt, Leni, hast mich denn nit gesehn 
in der Sterbestund' . . ." 
„Freilich hab' i di g'sehn, Muatter, o Muatter!" 
* 
Unterdessen nehmen auch auf der Erde die Dinge 
ihren Fortgang: denn kein Rädlein auf der wei 
ten Welt hebt sich still. 
„So — und jetzt wär' ich wieder da", sagt der 
Wastl zur Ziegelleitnerin, „hast nachher den Dieb 
schon ausfindig gemacht?" fragt er und lacht da 
bei so hinterhältig. Die Bäuerin schüttelt den 
Kopf. 
„Schön, dann müssen wir was anders probie 
ren, aber eine Maß Bier brauch' ich, daß ich meine 
fünf Sinn' beieinander hab'!" 
„Gleich Wastl, gell Wastl!" 
„Du mußt dich also vor dem Dieb unsichtbar 
machen." 
„Was muß ich mich machen?" 
„Unsichtbar!!" 
„Wia meinst jetzt dös?" 
„Schau her, was auf dem Zettel da steht, dös 
lest dreimal laut, nachher bist unsichtbar, koa Mensch 
siagt di nimmer, aber du siagst alles!" 
Die Bäuerin liest den Zettel.
	        
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