Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

„Was?" schreit der Einöder. „Du . . .? Ist dir 
leicht der Verstand aus den Angeln gesprungen?" 
„Der Marti ist fleißig und brav!" 
„Brav? Fleißig?" kreischt er giftig. „He, sag 
mir, wo steht nachher sein Hof, he, und wo sein 
Acker, ha?" 
„Er hat nit Hof und hat nit Acker, aber " 
„Nie und nimmer!" braust er ihr darein. „Du 
— und der Notling, da lacht ja die Schermaus in 
der Gruben . . ." 
„Vater!" 
Er hört nimmer auf sie und geht weiter. „Gut!" 
sagt sie still, „jetzt hab' ich Bescheid" und die Kälte 
schüttelt sie. 
In der Stube brennt noch ein Licht; sie hören 
wie die Magd den Buben in den Schlaf singt. 
„Heut' auf d' Nacht, morgen auf d' Nacht, 
schlaf, Büberl, schlaf! 
Hat der Fuchs d' Aug'n aufg'macht 
schlaf, Büberl, schlaf! 
Kimmt der Knecht Birkersbrecht, 
hat ein rot's Kapperl auf, 
steht der Schwarzwuckerl drauf, 
Messerl her! Messerl her! 
Füaßerl abschneid'n . . ." 
Der Einöder lacht glücklich auf, wie er den Bu 
ben sieht. „Alles der Bub — und ich bin der Nie 
mand!" denkt die Leni. „Mein Leben ist dünn 
— Heilige Maria, so dünn . . ." 
* 
Der Mesner Flori geht in die Küchel und nimmt 
die Schlüssel. „So — und jetzt läut' ich die Bau 
ernangst!" sagt er, reibt sich durch den Freithof in 
die Kirche und fängt auch gleich an, das Läuten. 
Läutet, daß sich die Glocken nicht mehr genug 
schnaufen können. 
„Bim-Bam! Bauer zahl!" klingt es. 
Da schreit auch schon der Grashansensepp, der 
bereits im Wirtshaus hockt, vor lauter Fidel: 
„Heut' ist der Lichtmeßtag 
heut' ist mein Ziel, mein Ziel; 
zahlt mi der Bauer aus — 
gibt mir nit z'viel, nit z'viel!" 
Die Schlenkeltage sind da! Schöne Zeit für die 
Ehehalten. Der Bauer zahlt aus. Einstehzeit — 
Ausstehzeit! Lustig geht es überall her, juchhe . . . 
Nur beim Grienerbauern hat keines einen rech 
ten Humor. Der Marti steht in der Kammer, zieht 
den Sonntagsjanker an, nimmt den Stock, will 
schon hinaus, da kehrt er nochmal um, schaut her 
um in der Kammer, alles schaut er nochmal an, 
recht genau, die Wände, die Bilder, und dann geht 
er in die gute Stube hinüber. 
„Also Bauer", sagt er, „nachher geh' ich halt 
jetzt!" 
Schwer kommen die Worte heraus. 
„Warst allweil brav und fleißig", sagt der alte 
Griener, „hab' nie eine Klag' gehabt über dich" 
und schiebt ihm den Iahreslohn hin. 
Der Marti kann nichts sagen, um alles in der 
Welt nicht.. 
„Und tüchtig war er auch, der Martl, das muh, 
ihm der Neid lassen", wirft die Bäuerin ein, „aber 
soviel grämig tust dreinschauen", wendet sie sich zu 
ihm, „geh, wer wird's denn gar auch so schwer 
nehmen." Und sie packelt ihm Hemden, Tuch und 
Stoff zusammen. 
„Hab' dich gern g'habt", fährt der Griener wei 
ter, „aber du weißt es selm, es geht nit anders. 
Behalt' ich dich, nachher hab' ich die Feindschaft j 
vom Einöder droben . . ." 
„Allweil ward's ihr gut mit mir, Bauer", spricht 
jetzt der Martl langsam, „hon koan Vater mehr 
g'habt, hon koa Muatter mehr g'habt — ös habt's 
mi gnumma felmals und grad als wia da- 
hoam war i bei enk, schöne zehn Jahr . . ." 
„Vergelt's enk Gott, Bauer", stammelt er wei 
ter und gibt dem Bauern und der Bäuerin zit 
ternd die Hand, „vergelt's da Gott, Bäuerin, warst 
grad wiar a leibeigene Muatter zu mir — — 
bleibt's g'sund beiananda und Glück im Haus 
— und im Stall! Pfüat enk Gott ..." 
„Halt, Martl . . .", schreit die Bäuerin und 
sprengt ihm einen Weihbrunn auf das Haupt. 
Draußen vor dem Hof angelangt, merkt er erst, 
wie ihm die Augen voll Tränwasser stehen. 
Die Grienerleute schauen ihm nach. „Grad guat 
zum Haben ist er g'wes'n, der Marti . . . Jaja, da 
Martl . . ." brummt der alte Griener. 
* 
Die Tage wurden nun kräftiger und geschmei 
diger; von Morgen zu Morgen kamen sie zeitiger 
herauf, erst um einen Hahnenschritt, dann um 
einen Hirschensprung und zuletzt stieg die Lerche, 
der jubelnde Herrgottsvogel, über die Äcker und da 
ist mit eins die schöne Jahreszeit im Land. 
Die Tauben schwingen sich über die Felder und 
die Grillen geigen im Wiesensaum. 
Martl, der jetzt auf dem Ziegelleitnerhof dient 
als Knecht, hat sich nach und nach eingewöhnt. 
Schon vor langer Zeit hat ihm die Leni geschrie 
ben. Und in diesem Brief stand alles. Daß sie ihm 
gehöre für immer und daß sie warte, bis der 
Himmel helfe. Und das will nun auch der Martl 
tun. Warten . . . warten . . . 
„Martl!" schreit die Ziegelleitnerin nach der 
Mittagsuppen, „geh einmal zum Fockinger hin 
unter und sag', der Wastl soll herauf kommen, 
kreuznotwendig tät' ich ihn brauchen!" 
Wer die Ziegelleitnerin kennt, weiß, daß sie ein 
mächtig großes Leut ist und ein strenges Re 
giment führt um und um. Wer sie kennt, weiß 
auch, daß sie nicht von Gebenhausen ist und also 
die Laus um den Balg schindet. Zum dritten und 
letzten weiß er aber noch, daß sie eine soviel aber 
gläubische Natur hat, daß es nicht mehr schön ist 
auch. Aber dafür ist ja der Fockinger Wastl da. 
Der Fockinger Wastl ist nämlich ein arger Hallo 
dri. Und ein Geld wenn er hat, herrjeh, wie das 
schreit: Laß mich aus! Aber der Wastl hat selten 
ein Geld, aber Schulden immer. Ein Loch macht 
er zu, wie man so sagt, und damit das andere auf.
	        
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