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Erzählung von Z. I. Biersack
Der Winter ist im Land; in den Acker stieg er,
in die Wiese schloff er, auf Weg und Steg hielt er
Rast. Weiß ist die Welt und auf der Einöd ist's
noch stiller als sonst im Jahr.
Langsam zieht der Tag herauf über die Hügel,
wie ein gar Mühseliger, und der Morgen ist
düster und die Flocken fallen ihm auf die graue
Haube.
Der Einöder auf dem Berg ist schon munter,
tappt durch die finstere Fletz und stemmt sich wi
der die Tür; denn die Schneewehen legen sich von
draußen schwer dagegen. „Kalt und Schnee",
schnauft er, „gibt Korn auf der Höh'" und mit
einem Ruck tritt er auf die Gred heraus.
Die Flocken rieseln ihm ins Gesicht und der
Wind bläst grausig her. „Schön!" sagt er, schau
felt den gröbsten Schnee vom Eingang und schaut
dann ins Tal hinunter. Weit und breit nichts
als weiße Flächen.
Krähen fludern auf, schreien und steigen ins
Land hinein mit schweren Flügeln.
Wie auf der Wanderschaft stecken geblieben, hot
ten die Kronwittstauden mit dicken, weißen Män
teln am Hang; nur die Föhren stehen da wie
rechte Mannsleut mit ihrer weißen Last.
Mittendrein glänzt das Gesicht des Bauern; sein
Blick geht auf den Zaun zu, wo ein Büschel Heu
in den Sprossen hängt. „Christkindlheu!" sagt er
leis und nimmt es weg; dann sucht er noch mit
der Hand den überschneiten Balken ab und fin
det auch ein Bröcklein Zucker. Schnell zerstört er
die Spuren im Schnee, tummelt sich ordentlich da
bei und schleicht darauf wie ein Fuchs ins Haus
zurück.
Gerade sieht er noch, wie eine Hand von drinnen
ans verwehte Fenster wischt, wie eins herausäugt
aus der Kammer. „Die Leni . . .!" schnauft er
auf. Da ist er aber schon drinnen.
Die Leni, die Tochter, rüttelt nun das Fenster
ganz auf, schaut noch einmal zum Zaun hinüber
und lächelt. Die hellen Haare hängen ihr schim
mernd auf die schmalen Schultern herab.
Da rührt sich auch schon der Bub.
„Leni! . . . Leni!"
„Da bin ich!"
Der Toni reibt sich den Schlaf aus den Augen
und fragt dann schnell: „Leni, kimmt heut' 's
Christkindl?"
„Ja, Toni, heut' auf die Nacht!"
Seine Augen funkeln; da fällt es ihm ein und
er hüpft aus dem Bett und rennt an das Fenster.
„Leni!" sagt er aufgeregt, „ich seh' kein Bröserl
Heu nimmer!"
„Und den Zucker seh' ich auch nimmer", stam
melt er erschüttert.
„Den hat halt 's Christkindl mitg'numma!"
„Und 's Heu?"
„'s Heu auch, natürli 's Heu auch, fürs Eserl!"
„Uh!" schreit der Bub zitternd, „das Christ
kindl ..."
Blaß steht die Leni da. Wenn sie redet, muß
sie mitunter husten und ihr Lachen ist klein und
dünn, viel dünner noch, als ihre schmalen, bleichen
Hände; nur die Augen sind voll Licht und Leben.
„Freust dich auch, gelt?" fragt der Bub.
„Ja!" sagt sie und denkt mit eins weit fort.
Während sie den Buben wäscht und anzieht, zit
tert ihr Körper. Tränen steigen ihr in die Augen