Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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Er bittet in allen Tonarten, und weil er immer 
a bscheibner, ruhiger Patient war, gibt die Schwe 
ster schließlich nach und bringt sei tuchene Hosn 
und sein Lodenrock. „Aber nur zum Gartengehen, 
jetzt muß Er sein Spitalsgwand anziehen." Glück 
selig stopft der Mich! sei Gwand ins Bett und 
wartet die Visite ab. Dann kommt der Primär mit 
seiner Begleitung in 
weißen Kittln und 
sagt wieder was von 
seiner „Diät". „Ja, 
an Schmarrn", denkt 
der Mich!. Bis alle 
Ärzte und Schwe 
stern verschwunden 
sind, schlupft er rasch 
in sein Gwand. Aber 
holla, d' Schwester 
hat eahm die Schuh 
net bracht — macht 
nix. Es geht in die 
Hausschuach a. Der 
Rogler Mich! schleicht 
wie ein Dieb die 
Stieg» abi, in Gar 
ten und durchs Busch 
werk hin zum Zaun. 
Dann schaut er rechts 
und links die Stra 
ßen auf und ab, ob 
eahm neamd stacht, 
und dann steigt er 
fürsichti übern Zaun. 
Stolz marschiert er 
zur Haltestelle, setzt 
si in die Elektrische, 
die grad kimmt, und 
fahrt zum Haupt 
platz. Dort steigt er 
aus, geht in sei 
Wirtshaus, ins Ex- 
trastüberl, bstellt si 
ein Gulasch mit zwoa 
Knödl, a Krügl Bier 
dazua und tafelt 
dann wia a Graf. 
Dann no zwoa fri 
sche Semmeln, den 
Saft schön sauber 
austunkt, „a, des hat 
herrli gschmeckt!" Er 
schaut zum Fenster 
'naus, „uih", auf der 
Rathausuhr drübn 
is's scho glei ölfe, 
also höchste Zeit zur 
Rückfahrt. „Köllner, zahlen!" Rasch zur Haltstell 
und „Krrr, bim, bim" geht's wieder dahin. Oans — 
zwoa is er wieder beim Spitalsgarten. Jetzt be 
merkt er a Türl im Zaun, spaziert gschwind 'nein, 
durch 'n Garten und 'nauf in Saal Nr. 32/2. A 
bißl zittri setzt er si auf sei Bett. „Wo warst denn 
so lang?" fragt 'n der Bettnachbar. „Im Garten, 
weil d' Sunn so schön scheint", lügt tapfer der 
Mich!. Freili, der Magn brennt 'n a weng, aber 
sonst is eahm sauwohl, endli was Ordentlis im 
Magen. Dann kommt wieder die Müllisuppen, 
brav löffelt s' der Michl abi, legt si nacha auf sei 
Bett und schlaft den 
ganzen Namittag so 
gut wie schon lang 
net. Am nächstn Tag 
in der Fruah kommt 
wieder die Visit: „Der 
Rogler Mich! kann 
Samstag heimfah 
ren, aber strenge 
Diät noch bis dahin 
und genaue Diütvor- 
fchriften dem Mann 
mitgeben", sagt der 
Herr Primär zur 
Oberschwester. 
Also, am Samstag 
kriagt der Mich! sein 
ellenlangen Diützet- 
tel und fahrt hoam. 
Am Steinkreuzhof 
wird er festli emp 
fangen, alles freut 
si: „Der Michl is 
wieder gfund, der 
Michl is wieder da!" 
Die Wabi steht in 
einer Eckn und trenzt 
vor lauter Freud. 
Der Michl, der laßt 
si das Festessen guat 
schmeckn, dann wischt 
er si mit 'n Hand- 
rückn den fettn Mund 
ab und sagt zur Bäu- 
rin: „Bergelt's Gott, 
des hat gschmeckt. 
Aber gelt, Bäuerin, 
a Diät kochst ma nia 
net." — „Ja, was is 
denn des, a Diät?" — 
„Ja — moant ge 
lehrt der Mich! — a 
Diät, des is ladeinisch 
und hoaßt auf Deutsch 
Müllisuppen'." 
Dann geht der 
Mich! in sei Kamma 
und legt ganz unt in 
sei Truha zum mag 
netischen Draht dazua den ellenlangn Diätzettel 
vom Herrn Primär und zum ewigen Angeden 
ken den Rechnungszettel von dem wunderbarn 
Gulasch. 
* 
Oer Dauer 
Don Jakob Kneip 
Hinterm Pflug, in gleichem Schrill, 
Doch um Himmel fchreilesi du 
Don Jahrhundert zu Jahrhundert. 
Und der dunkle 8ug der Ahnen 
Schreitet in der Furche mit: 
Don Jahrhundert zu Jahrhundert. 
Alle Erd-- und Himmelsgeister 
Fühlst du deinem Deist verwandt; 
Aller Deister Gott und Meister 
Spendet Wachstum deinem <Tand. 
Unter Sonne, Mond und Stern 
Schreitest du durch diese 2eit, 
Dengst das Haupt nur einem Herrn: 
Gott, dem Herrn dev Ewigkeit. 
IDit freundlicher Erlaubnis des Verlages Paul äist 
aus dem neuen Bedichtband ,,Bauernbrot" abgedruckt.
	        
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