Volltext: Österreichischer Volkskalender 1936 (1936)

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kürzlich hieher gesetzt worden sein, denn er hatte 
sie noch nie zuvor gesehen. Wohl aber konnte er 
sich den Besitzer, bezw. die Besitzerin denken. Wei 
ter drüben überraschte er am Bach einige Buben 
beim Fischen und das paßte vollkommen in seinen 
Plan, den er nun in seiner schwarzen Seele zu 
sammenbraute. 
„Hab' ich euch einmal, ihr Raubersbande, ihr 
Schlingel, ihr nixnutzigen. Marsch mit euch zur 
Schandarmerie!" 
Die Buben waren ganz verdattert und bettel 
ten: „Nein, bitt' schön, Herr Metzger, nit anzeigen. 
Wir tun's eh nimmer. Bitt' schön, Herr Metzger, 
bitt' schön." Der Metzger schien sich erweichen zu 
lassen. „Na, für diesmal soll's euch noch geschenkt 
sein. Aber dafür müßt's ihr jetzt tun, was ich euch 
anschaff'." 
„Ja, Herr Metzger." — „Was denn, Herr Metz 
ger?" 
„Seht's dort drüben am Teich die Enten?" 
„Ja, Herr Metzger." 
„Wißt ihr, wem die Enten gehör'n?" 
„Nein, Herr Metzger." 
„Also, paßt's auf! Ihr lauft's jetzt g'schwind zum 
Apotheker eint und sagt's, daß ihr am Teich da 
heroben Enten g'sehn habt's. Verstanden?" 
„Ja, Herr Metzger." 
„Daß ihr aber ja nichts verrat's, wer euch 
g'schickt hat, sonst laß ich euch alle einsperr'n. Ver 
standen?" 
„Na, Herr Metzger. Wir verraten nix." 
„Also, dann lauft's und richt's alles schön aus." 
„Ja, Herr Metzger." — „Dank' schön, Herr Metz 
ger." — Und fort waren die Buben. 
Der Metzger rieb sich die Hände. Wenn der 
Wurf gelang, dann war der Apotheker erledigt. 
Der Apotheker saß gerade beim Jausenkaffee 
und las die neueste Nummer der Jagdzeitung 
„St. Hubertus", da klopft es und vier, fünf Bu 
ben stehen mit roten Gesichtern in der Tür: „Herr 
Apotheker, beim Teich droben sind ein Haufen 
Wildenten." 
Der Apotheker fährt herum. „So, wer hat euch 
denn das g'fagt?" 
„Wir haben's selber g'sehn. Fünf sind's — nein, 
sieben." 
„Na, ist schon recht. Ich danke euch schön." 
Als die Buben fort waren, hatte der Apotheker 
nichts Eiligeres zu tun, als Flinte und Stock zu 
nehmen und bei der Tür auszufahren. Da mußte 
man geschwind sein, bevor einem ein anderer zu 
vor kommt. Als er zum Mühlteich kam, schwam 
men da wirklich fünf wunderschöne Enten friedlich 
darauf herum. Dem Apotheker, der zwar ein eif 
riger Nimrod, aber etwas kurzsichtig war, rann 
gleich das Wasser im Maul zusammen. Er frug 
nicht lang, fuhr auf und — piff, paff — hat's auch 
schon drei davon. Voll Stolz zog er mit seiner 
Beute von dannen. Er ging aber gar nicht erst 
heim, sondern eilte damit schnurstracks zur „Blauen 
Kugel". Mit so einem Präsent konnte man sich 
immerhin sehen lassen, und den Metzger, wenn er 
es erfährt, wird der Neid fressen. 
Als er bei der „Blauen Kugel" ins Extraftübl 
trat, saß dort selbstredend der Metzger schon breit 
beim Tisch und grinste. Das war dem Apotheker 
aber gerade recht. Dieser Windhund sollte doch end 
lich erkennen, daß er hier schon längst im Hinter 
treffen war und er, der Apotheker, der Hahn im 
Korb. Aber der Metzger schien derlei nicht zu 
ahnen, sondern begrüßte seinen Rivalen mit aus 
gesuchter Höflichkeit. 
„O, guten Abend, Herr Nachbar. Was, war'n 
wir leicht gar auf der Entenjagd heute? Alle Hoch 
achtung — ah, Weidmannsheil wollt' ich sagen. 
Sind das aber schöne Enten. Wo haben S' denn 
die g'schossen?" 
„Na, wo werd' ich sie denn geschossen haben? 
Beim Teich droben halt", tat der Apotheker groß. 
„Streichen so alle Tag' eine Massa dort herum. — 
Und extra für unsere schöne Wirtin hab' ich sie 
erlegt", setzte er hinzu, als diese gerade zur Tür 
hereinkam. 
Die Wirtin war sichtlich erfreut über das schöne 
Präsent, drehte die Enten nach allen Seiten und 
lobte den kühnen Jäger über alle Maßen. Aber 
je länger sie die Enten betrachtete, desto finsterer 
wurden ihre vorhin noch so freundlichen Blicke. 
Und plötzlich, wie ein Hagelwetter, brach das Un 
heil über den unglücklichen Schützen herein: 
„Wissen S', was das für Enten find, Herr Apo 
theker?" Der war ob dieser Frage sehr verwun 
dert. „Na, Wildenten sind's halt." 
„An Schmarr'n sind's Wildenten. Das find meine 
Hausenten, die ich mir vorgestern erst beim Teich 
droben ang'setzt hab'. Und Sie, Sie Rabenjäger, 
Sie Entenmörder, Sie haben f erschossen, die ar 
men Vieherln. So — daß Sie es wissen, Sie 
grauslicher Mensch Sie. Da haben S' wieder die 
Enten. Ich brauch' f nimmer, und — die Rechnung 
kriegen S' ein anderes Mal." Bums . . . war die 
Tür zu und die gekränkte Kugelwirtin draußen. 
Das boshafte Gelächter des Metzgers weckte den 
aus allen Himmeln gestürzten Apotheker aus sei 
nem Sinnen. Mit einem furchtbar giftigen Blick 
auf den Rivalen packte er die am Boden liegenden 
Enten und war dann mit einem Satz aus der Tür. 
„Das hat dir nur der Metzger eingebrockt", wa 
ren fortan die Gedanken, die den Apotheker Tag 
und Nacht beschäftigten. 
Selbstverständlich pfiffen es am nächsten Tag 
schon alle Spatzen, was dem Apotheker für Mal 
heur passiert war, und die Lausbuben auf der 
Straße schrien: 
„Ant', Ant', Ant' — Wafserschmidt — 
Und das andere sag' ich nit." 
Metzger, das soll dir nicht geschenkt bleiben . . . 
* 
Inzwischen kam der Fasching heran und mit ihm 
der alljährliche unvermeidliche Maskenrummel. Der 
Metzger hatte sich für den diesjährigen großen 
Ball, der selbstverständlich immer in der „Blauen
	        
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