Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1933 (1933)

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der Rat den Zugang zum Fronhofe allen 
übrigen zu sperren haben würde, galt als 
selbstverständlich, war vom Bürgermeister 
auch ausdrücklich zugesagt. Aber würde 
dieser es nicht so einzurichten wissen, daß 
eine feiner drei Töchter dem Herzog vor 
Augen stand, so daß dieser genötigt war, 
die Ehre des Tages der bürgermeister 
lichen Familie zuzusprechen? Oder würde 
der Fronhofvogt, auf seine ritterliche Ab 
kunft pochend, nicht dafür sorgen, daß seine 
Tochter, die schöne Leokadia, schon von 
vornherein die Erkorene war? Oh, man 
hatte Augen; man hatte wohl bemerkt, 
wie der Herzog mit dem schönen Fräu 
lein schöntat, und böswillige Zungen woll 
ten wissen, daß der Herzog nur ihretwegen 
so lange in Augsburg weile und nur ihret 
wegen dies ganze Fest veranstalte, um 
ihr, der vielleicht heimlich Geliebten, den 
Triumph über Augsburgs Töchter zu ver 
schaffen. Aber man würde sich vorsehen 
und würde es zu verhüten wissen, daß 
Augsburgs Töchter vor der fremden 
Ritterlichen in Unehre gebracht würden. 
Und als sie das alles überlegten, da 
kam über Augsburgs Töchter die große 
Erleuchtung, was zu tun war. Heimlich 
wurde beschlossen, daß keine der Patrizier 
töchter sich zu dem Fest auf den Fronhof 
begeben sollte. Man wollte das Fest den 
Ritterlichen und den Töchtern des Bürger 
meisters, wenn diese mochten, überlassen. 
Und der Herzog — es geschah ihm recht, 
wenn er stirnrunzelnd im Kreise der Män 
ner stand und sich vergeblich nach den 
Jungfrauen umsah, aus denen er seine 
Wahl treffen konnte. Ach, wie schadenfroh 
die sonst so lieblichen und sanften Äug 
lein blitzten, wenn sie sich die Szene vor 
stellten, da der Herzog mit Jungfer Leo- 
kädia allein am Holzstoß stehen würde und 
aller Augen spöttisch auf ihn und seine 
Erkorene gerichtet sein würden! Ob er es 
dann wohl wagen würde, ihr das Brand- 
werg zu reichen? 
Schwer wurde mancher freilich der 
Entschluß, und manche heimliche Träne 
wurde geweint. Aber der Stolz, der den 
Augsburgern feit jeher im Racken faß, 
stählte auch die Jungfräulein, und so ver 
schworen sie sich in aller Heimlichkeit hoch 
und heilig, daß keine von ihnen in der 
Johannisnacht das Haus verlassen würde. 
Rach außen hin aber nähten und schnei 
derten und lachten und schwatzten sie, als 
gingen sie dem größten Feste entgegen. 
Hat aber doch die eine oder andere 
nicht das Zünglein zu zähmen gewußt, 
und so lief gar bald in der Augsburger 
Bürgerschaft geheime Kunde von dem, 
was die Jungfrauen der Geschlechter sich 
verschworen hatten. Und ob es gleich an 
fangs niemand glauben wollte, so wurde 
die Kunde letzthin doch so bestimmt, daß 
an ihr nicht mehr zu zweifeln war. Und 
wie es denn meist geschieht, so kam das 
Gerücht auch dem Herzog zu Ohren. Der 
geriet in hellen Zorn und ließ den Bür 
germeister rufen. Doch kaum war der 
Bote hinweggeeilt, fo sandte er einen zwei 
ten Boten nach, der den ersten Befehl 
widerrufen sollte. Ein besserer Rat kam 
dem Herzog ein, und ein Lächeln umspielte 
seine Lippen statt des zornigen Unmutes, 
der 'iE)n zuerst erfaßt hatte. 
Die Johannisnacht war gekommen. 
Strahlend war die Sonne zur Rüste ge 
gangen, ein heller Schein umflammte den 
Himmel. Linde Lüfte fächelten, und süße 
Düfte zogen einher. Da wallte alles nach 
dem Fronhofe hin, wo der Herzog mit fei 
nen Rittern und Knappen und den Rats 
herren und Patriziern vor dem riesigen 
Scheiterhaufen stand. Ein Rad, das Son 
nenrad, befand sich neben ihm, das durch 
einen riesigen Knecht in buntem Waffen 
rock in Schwung gesetzt werden sollte, um 
durch Reibung an einem bereitstehenden 
Stück Holz die Funken zu erzeugen, die, 
in Werg aufgefangen, dazu dienen sollten, 
den Holzstoß zu entfachen. 
Wo aber waren die Jungfräulein, aus 
denen der Herzog diejenige erwählen 
wollte, die die Funken auffangen und den 
Brand entfachen sollte? Des Vogtes schöne 
Tochter allein stand da — niemand sonst. 
Selbst der Bürgermeister hatte trotz ängst 
lichen Veschwörens seiner Töchter nicht 
vermocht, die Verschwörung, der sie bei 
getreten waren, zu mißachten. Den Herzog 
aber schien dies nicht zu kümmern. La 
chend und scherzend stand er da, blickte 
zum Himmel und wartete die geeignete
	        
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