Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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Er fängt Feuer 
Von Wilhelm Reese 
Hubert Kranzler stieg in die Elektrische. 
Sie war nicht sehr besetzt. Er vertiefte sich in 
die neuesten Nachrichten des Mittagblattes. 
Sehr bald jedoch blickten seine Augen über den 
Zeitnngsrand hinweg und blieben nicht ohne 
Wohlgefallen auf seinem weiblichen Gegen 
über haften. Es war eine junge, hübsche Dame. 
Zuweilen betrachtete das Gegenüber auch 
Hubert Kranzler. Leider vermochte er nicht 
ohneweiters festzustellen, ob das gleichfalls 
mit Wohlgefallen geschah. 
Als die Elektrische wieder einmal hielt, stieg 
die junge Dame aus. Es braucht wohl kaum 
betont zu werden, daß er das lebhaft bedauerte. 
Als er jedoch auf dem Platze, wo sie ge 
sessen hatte, plötzlich ein gewisses Etwas be 
merkte, bekam er Herzklopfen. Er nahm den 
Gegenstand an sich. Es war ein Notizbüchlein 
in dunkelbraunem Kunstledereinband. Nichts 
stand darin geschrieben, nur auf der ersten 
Seite waren Name und Wohnung der Eigen 
tümerin vermerkt: Eva Lehmkuhl, Rosen- 
straße 12, 2r. 
„Hm", dachte er, „ob ich nicht gut daran 
tue, wenn ich der Eigentümerin das verlorene 
Notizbüchlein zurückbringe?" 
Er beschlief sich die Sache. Am nächsten 
Morgen war er entschlossen. Er fuhr in die 
Rosenstraße. Die Nummer 12 war ein schönes 
Haus. Er stieg die Treppen empor und läutete 
im zweiten Stock rechts. Er war gespannt 
darauf, ob sie ihm selber öffnen würde. 
Nein, sie öffnete ihm nicht selber, sondern 
eine andere'Dame. Aber auch die war jung 
und hübsch. Nicht ohne Wohlgefallen be 
trachtete er sie. Auch sie musterte ihn prüfend. 
Nicht feststellen konnte er, ob das ebenfalls 
mit Wohlgefallen geschah. 
Er sagte höflich: „Verzeihung! Wohnt hier 
Fräulein Eva Lehmkühl? 
Sanft erwiderte die Gefragte: „Ja!" 
„Kann ich die Dame einmal sprechen?" 
„Leider ist sie nicht anwesend." 
„Das ist aber sehr schade. Ich wollte ihr 
nämlich etwas bringen, das sie gestern in der 
Elektrischen verloren hat." 
„Oh", ereiferte sich da das Fräulein, . 
„treten Sie doch ein. Was ist es denn? Sie ' 
können mir den Gegenstand ruhig geben. Ich. 
bin die Schwester." 
Hubert Kranzler trat ein. Er wurde in ein 
recht nettes Zimmer geführt, in dem es sich 
behaglich wohnen lassen mußte. Gern nabm 
er in dem bequemen Ledersessel Platz, den ihm 
das Fräulein liebenswürdigerweise anbot. 
Warum hätte er das auch nicht tun sollen, da 
die, die ihn zum Sitzen einlud, mindestens 
ebenso hübsch war wie die Schwester, die er 
gestern bewundert hatte? 
„Ach", sagte er, „die Sache ist die: Ihr 
Fräulein Schwester hat gestern in der Elektri 
schen, Linie 16, dies Notizbüchlein liegen 
lassen. Ich hielt es für meine Pflicht, den 
Fund zurückzugeben." 
„Oh, wie nett von Ihnen! Ich danke 
Ihnen im Namen meiner Schwester. Und 
wenn es Ihnen recht ist, dann trinken wir, da 
Sie schon einmal da sind, ein Täßchen Tee, ja?" 
Das war ihm durchaus recht. Dankend 
nahm er an und stellte sich bei dieser Gelegen 
heit vor. Auch das Fräulein nannte ihm ihren 
Namen. Sie hieß Rose. 
Nach und nach kamen sie lebhafter ins 
Gespräch. Sie erzählte ihm so allerlei. Ver 
schwieg auch nicht, daß sie und ihre Schwester 
sich tüchtig und entschlossen durchs Leben 
schlügen. Sie wären beide für eine'Gesellschaft 
tätig, die gegen Unfall, Tod,. Feuer und Ein 
bruchsdiebstahl versichere, und sie fragte ihn 
gleichzeitig, ob er etwa gegen eins dieser Dinge 
noch nicht -versichert sei. 
„Gegen Feuer noch nicht", erwiderte er 
aufgeräumt und glaubte, damit einen sehr 
guten Witz geliefert zu haben, „wiewohl ich, 
wie Sie sehen, schon welches gefangen habe!" 
„Oh ja, man brennt manchmal sehr schnell", 
erklärte sie eifrig. Und schon hatte sie ihm 
einen Versicherungsantrag vorgelegt, den er 
auch ohneweiters unterschrieb, weil er einfach 
nicht anders konnte. Lächelnd dankte sie ihm 
dafür und goß ihm eine dritte Tasse Tee ein. 
Was er zum Anlaß nahm, sie zu fragen, ob 
sie zuweilen auch einmal.in ein Theater oder 
’ Kino gehe, 
„Ob ja, das tue ich!" 
„Allein?" 
„Nein, natürlich mit meinem Verlobten." 
„Sie haben einen Bräutigam?" forschte er 
enttäuscht. 
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