Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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Vom Gemeindeanger trottet's. Auf den 
Kruxer Straßen strömt es, wogt es. Auch die 
Lexer-Kühe sind dabei. 
' Einen Augenblick lang bleiben sie an einer 
Ecke stehen, wo die Wege nach dem Wirtshaus 
und dem Lex sich scheiden. Einen Augenblick 
nur und sie schwanken nicht mehr, nein, sie 
schwenken dahin, wo sie hingehören. 
Immer mehr der Kühe schwenken ab nach 
ihren Ställen. Kein Hirte, der sie schieben, und 
kein Stallbub, der sie ziehen müßte. Dahin, 
dorthin geht's zur Heimat, wo sie aus die 
Welt gekommen, wo sie einmal sterben möchten. 
Immer dünner wird der Strom der Kühe. 
Jetzt ist's nur ein Bach mehr. Nur ein Rinnsal. 
Übrig bleiben jetzt die Lexer-Kühe. Denn der 
Lex wohnt ganz am andern Ende. 
Hat gewohnt, als er noch ohne Geld war. 
Jetzt hat er Geld und wohnt auf Zimmer 
siebzehn, zweiter Stock, ganz hinten über einer 
Schenke. 
Die Lexer-Kühe stehn, wo gestern noch 
ein Hans stand. Jetzt steht nichts mehr dort. 
Jetzt liegt dort ein großer Trümmerhaufen. 
An der Spitze raucht er gegen Himmel. Ein 
Vesuv. Ein Vesuv des Fortschrittes. Oder wäre 
eine Bergbahn für die Fremden nicht ein 
Fortschritt? 
Die Kühe gehen üm den Trümmerhaufen. 
Einmal, zweimal, dreimal. Die Kühe heben 
ihre Köpfe. Zum erstenmal an diesem satten 
Tage —• heben wir nicht auch die Köpfe erst, 
wenn's hart aus hart geht? Den Lexer-Kühen 
wird es klar, jetzt geht es hart auf hart. Die 
Lexer-Kühe muhen. Die Lexer-Kühe brüllen. 
Die Lexer-Kühe suchen ihren Stall und ihre 
Heimat. Die Lexer-Kühe klettern über Schutt. 
Jetzt hat eine einen Balken angeschnuppert. 
Ein Balken ihres alten Stalles ist es. Sie 
erkennt ihn. Sie brüllt freudig auf: Gefunden, 
kommet, kommet ! 
Sie kommen. Schwer wälzen sich die 
Leiber über das Geriesel. Sie schnuppern mit, 
sie brüllen auf vor Freude: Unser Stall! 
Vom Bauschutt löst sich eine Schuttlawine, 
überdeckt den Balken. Die Kühe schnuppern 
nicht mehr. Sie stehen da und schauen. Wie 
schauen sie? Ei, dumm natürlich — sagt der 
Städter. 
Du, Mensch in deinem Stadtschutt, ein 
mal wenn du nur so schauen könntest, wie die 
Lexer-Kühe schauten — ich würde wieder an 
dich glauben. Würde wieder glauben können, 
daß du nicht verloren wärest. Noch nicht. , 
Die Nachbarn sind herbeigekommen. Sie 
stehen um den Bauschuttkehel. Sie zeigen 
die Kühe auf dem Kegel. Sie sagen nur: „Da 
sind f, dem Lex die sein'." 
Mehr sagen sie nicht. Ist auch nicht nötig 
Es ist alles drin. Die Rückschau und die Vor 
schau. Und dazwischen schneidende Erkenntnis 
Auch wir wir, werden abgebrochen, wie dm 
Lex sein Haus. Die Bergbahn bricht uns ab, 
Wir auch werden eines Tages um die Trüm 
merhaufen stehen, schnuppernd, brüllend 
Unsere Heimat — unsere Heimat! Aber kön 
neu wir zurück? Da und dort ein Balken noch, 
an den wir uns am Ende klammern könnten- 
ratsch, des Fortschritts Schuttlawine hat 
ihn schon überschüttet.... 
Ein Mädchen kommt herbeigerannt. Ist 
das nicht die kleine Zenz vom Lex? 
„Jesses, inser Bleß!" schreit sie, „Jesses, 
inser Gscheckete!" schreit sie. „Jesses, insa 
Gräfin!" schreit sie. 
Sie will den Bauschutt hinauf. Sie rutscht 
zurück. Sie packte es nochmals an, ein drittes 
Mal, ein viertes Mal — vergebens. Gellend 
läuft sie fort. Richtung Zimmer siebzehn, 
zweiter Stock, ganz hinten über einer Schenk 
Die Nachbarn sehen's wohl. Die Nachbarn 
rühren sich nicht. Mit gesenkten- Köpfen stehn 
sie um den Kegel mit den Kühen auf der 
Spitze, den suchenden Kühen. Und sagen weiter 
nichts als: „Des sän f, dem Lex die sein' 
des sän s', dem Lex die sein' . . . ." 
Vorchem Wirtshaus steht der Kälberpraxer, 
Neben ihm der Lex. Der Praxer hat ein zor 
niges Gesicht. In den Wirtshausstall deutet 
er hinein: „Leer — wo sän s'?" 
„I woaß's!" gellt eine Müdchenstimme, 
„i woaß's, wo s' sän — kemmts kemmts 
Sie wendet laufend, und die andern folgen. 
Jetzt steht auch der Lex unter den Nach 
barn um den rauchenden Kegel mit den suchen 
den Kühen auf der Spitze. 
Alle sehn ihn an: „Da sän s', die d ein't 
„Die mein'!" schreit der Praxer. 
Der Lex hat sein Wams aufgerissen. Geld 
scheine zerrt er heraus: „Bhalt' dei' Geld - 
i bhalt' meine Küah!" 
Die Kühe hören seine Stimme. Die Kühe 
glotzen lang herab. Die Kühe klettern langst^ 
herunter. Die Kühe schieben ihre Weichen diWl 
heran zum Lex. 
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