Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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Blondling in die Arme und trägt ihn in den 
Wagen. Dann knallen die Peitschen und die 
Gefährte sausen polternd davon. Die Gäule 
greifen aus. Schneller, immer schneller geht 
die Fahrt dahin auf dem steinigen Sträßlein 
durch den dunkelnden Wald. Fort, fort, die 
Rache ist gelungen und sie ist süß, so süß! Leise 
lacht der Mond über Wälder und Fluren. 
Weit im Lande unter der Enns leuchtet er 
nächtlichen Landfahrern auf steinigen Straßen. 
Im Teufelsbauernhof liegt dumpfe Angst 
über allen und unheilvolle Verwirrung zittert 
durch alles, was geschieht. Die alte Hauserin, 
die dem Bauer die Wirtschaft führt, seit sein 
Weib ans dem Hause starb, liegt vor dem ur 
alten, rauchgeschwärzten Muttergottesbild auf 
den Knien und ringt heulend die Hände und 
stammelt Worte durcheinander, die kein Mensch 
versteht. 
Der Bub ist fort. Nirgends zu finden! 
Und sie trägt alle Schuld, sie die Hauserin, 
sie hat die Aufsicht gehabt. Der Tenfelsbauer 
ist rasend geworden. Wie Hunde hat er 
Knechte und Mägde aus dem Hause gejagt 
auf der Suche nach dem verlorenen Kind. 
Er selbst sauft auf dem besten Roß in die Nacht 
hinaus. Überall hat man nachgefragt nach 
dem Buben, aber in keinem der Höfe der Um 
gebung weiß man etwas, hat man das Kind 
gesehen. Laut und gellend dringen die Schreie 
der Suchenden durch die Nacht. Aber keine 
Antwort. Nur die Wälder werfen den Wider 
hall spottend zurück. Langsam kehren die Be 
diensteten wieder zum Hof zurück. Einer nach 
dem andern, gedrückt und stumm. Keiner hat 
etwas zu sagen, sie wissen, es ist umsonst. Sie 
denken an die fahrenden Leute. 
Der Bauer kehrt nicht zurück. Was er tun 
wird, weiß keiner, aber die Zeit wird schlimm 
werden für sie alle. Der einzige Erbe, sein 
Liebling, sein ganzes Trachten .urtb Sinnen ist 
verloren. 
Draußen jagt durch die Stille der Nacht ein 
einsamer Reiter. Milchblaß rieselt das Mond 
licht über die weiten, taufeuchten Fluren und 
vom Walde, her streicht kühl und klar würzige 
Nachtluft. Tiefer Schlaf hat alles umfangen. 
Nur ein Bächlein murmelt seine alten Melodien 
durch den Frieden der Nacht. Ein ruheloser 
Reiter jagt übers nächtliche Land. Ein Vater 
sucht nach seinem Kinde. 
Seit jener Nacht ist manches Jahr ver 
gangen. Über den Teufelbauernhof ist eine 
böse Zeit hereingebrochen. Aber langsam ist 
alles wieder ins alte Geleise gekommen. Nur 
der Bauer nicht. Härter und mürrischer als 
früher und einsamer ist er geworden. Sein 
brauner Schädel ist stark angegraut und sein 
Gesicht ist älter geworden, als die Zeit es 
vermocht hätte.. Das alte, schwarze Mntter- 
gottesbild ist aus dem Hause verschwunden 
und wohin das Kruzifix, das in der Stube 
hing, gewandert ist, weiß auch keiner. Der 
Bauer glaubt an keinen Gott und keinen Teufel 
mehr. So reden die Knechte und Mägde zu 
einander. Aber laut sagen sie nichts. 
Und wieder gehen Jahre vorüber. Und 
wieder ist es Sommer wie vor Zeiten. Im 
Ungarland steht ein Häuschen, dessen blanke 
Fensterscheiben im Sonnenlicht glänzen und 
leuchten wie lauteres Gold. Am warmen Ge 
mäuer windet sich die lauschige Weinrebe, 
traubenschwer, und im Gärtchen, das das 
Haus umgibt, blühen hundert bunte Blumen 
und leuchtende Rosen. Der süße Duft der 
Blüten schwängert die warme, regungslose 
Luft und sonnetrunken und betäubt gaukeln 
seltene Falter über die Gräser und die Bienen 
summen durch die Mittagsstille. Die Bäume 
tragen schwere Frucht und hängen voll mit 
edlen Pfirsichen, süßen Birnen und saftigen 
Äpfeln. Und hundert Vogelkehlen jubeln in 
den Sommertag hinein. Unter einem alten, 
weitästigen Apfelbaum ruht auf einer be 
jahrten, wettergrauen Bank der alte Pfarrherr, 
der Inhaber dieser kleinen, sonnigen Welt. Er 
hält sein Mittagsstündchen und die große, heiße 
Stille schließt ihm langsam die Augen. Nur 
manchmal blinzelt er nach oben, wo im Geäst 
des Baumes ein blondes Bürschlein sitzt und 
sich frohgemut ein altes Reiterliedel pfeift. 
Ein Lächeln weht über den Mund des Alten 
und wieder nickt er ein. Die Dorfuhr schlägt 
die Mittagsstunde und der Junge ans dem 
Baum beißt in einen rotwangigen Apfel. 
* * 
* 
Die Zeit vergeht. Vieles ändert sich und 
vieles bleibt dasselbe. Geändert hat sich der 
Tenfelsbauer. Sein Schädel ist silbergran 
geworden. Er geht wieder fort; freilich nicht 
zur Predigt oder zur Messe, aber ins Wirts 
haus. Er ist ein arger Säufer und Spieler 
geworden. 
Gleichgeblieben aber ist der Schmerz, den 
er oft und oft in stillen einsamen Stunden
	        
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