Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1928 (1928)

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nur mit halbem Ohr hinhörte und seine Ge 
danken bereits auf der Kegelbahn oder sonst 
irgendwo hatte, saß heute in musterhafter 
Aufmerksamkeit und andächtiger Stimmung 
da. Vom Schlafen vor der Mette war na 
türlich keine Rede. Das Programm für den 
heiligen Abend war seit Jahren festgestellt. 
Als der Dienstbub' mit der Lesung aus 
der Postille fertig war, sah alles auf den 
alten Wastl, denn jetzt mußte der 
seine Hirtenlieder singen. Der Wastl 
war ein alter, braver Diener seines 
Herrn, der zwar nicht mehr bei allen 
Arbeiten „mit und bei" sein konnte, 
der aber hunderterlei scheinbar gering 
fügige Handgriffe verrichtete, von 
denen man erst einsieht, daß sie Zeit 
erfordern und geschehen niüssen, wenn 
einmal niemand mehr ist, der sie tut. 
Ruhig aber fleißig „kleibelte" der Wastl 
den ganzen Tag in und außer dem 
Hause herum, von früh bis spät ein 
Pfeifchen schmauchend. Nur heute 
rauchte er nicht. Am heiligen Abend 
und am Karfreitag da hatte die Pfeife 
Rasttag und der Wastl Fasttag. Er 
wußte allerlei schöne „Gsangl", heilige 
und profane, und nachdem er sich 
einige Male hatte bitten lassen, 
begann er mit starker, nicht unschöner 
Stimme ein uraltes Hirtenlied zu 
singen, das nach seinen Anfangsworten 
„Der Mözgastöffl" heißt. Der Hirte 
Stöffl beklagt sich in demselben zuerst 
über den kalten Stall, dann über die 
anderen Beschwerden des Hirten 
lebens: 
„Soll' bän Tag mit'n Schafn laufn, 
Hätt' mä eh dä Hüatä gnua; 
Bei der Nacht 'u Schlaf vokaufen, 
Gat a ganzö Zeit koan Ruah!" 
Es herrscht nämlich draußen auf der 
„Hoad" ein „Jubeln und a Gschroa", dessen 
Grund der „Jodl", ein zweiter Hirte, darin 
entdeckt zu haben glaubt, daß die Stadt 
Bethlehem abgebrannt sei. Aber Stöffl 
glaubt das nöt: 
„Han's ja gar ma brinna seha, 
Han so gro oft eiö gschaut; 
Ja, gwiß dälogn is ä nöt scheu; 
I siag ja dort nu Hansa stehn, 
Is gwiß nöt wahr, geht mä nöt ein, 
Es muaß was andas sein." 
Endlich entdecken beide Hirten, daß der 
Glanz und der Jubel von den Engeln aus 
geht, die erscheinen und ihnen die Geburt 
des Weltheilandes mitteilen. Sogleich ma 
chen sie sich mit Geschenken auf den Weg 
und nach einer Mahnung: 
„Wann mä kemman zä dä Krippn, 
Macht's fein engä Sachä guat, 
Jodl, schau fein äf'n Lippn, 
Daß ä fleißö beten tuat", 
Landeshauptmann Dr. Josef Schlegel. 
kommen sie in den Stall bei Bethlehem 
und beten freudig das Christkind an voll der 
Hoffnung: 
„Wann's zan lösten End' wird gehn, 
Wird's uns zur Sejtn stehn." 
Als Wastl endete, lag auf den Gesichtern 
aller ein fast andächtiger Ausdruck, so er 
greifend hatte er das Schlußgebet zum Jesus 
kinde vorgetragen. War Wastl der beste 
Sänger auf dem Brunbauerhose, so wußte 
der Futterschneider-Muckl die schönsten Ge-
	        
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