Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1922 (1922)

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Doch seine Kraft erlahmte bald. Einige 
Tage später, als er gegen Abend von einem 
Versehgang nach Hause kam, fühlte er sich 
matt und müde. Da sagte er zu seinem 
Bauer: „Seid so gut und schickt nach dem 
Bader, ich mein — mich packt's jetzt auch." 
Der Bauer schreit auf in jähem Entsetzen: 
„Geistlö Herr, Ihr dürft nöt fürt von uns, 
Ihr müßt dableibn! Jawohl, dableibn, 
sunst sän ma ganz arm dran!" 
Müde lächelte der Priester. „Geht nur 
ruhig, Bauer, noch ist's ja nicht so weit. 
Doch wie unser Herrgott will!" 
Der Bader kam. Ihm standen die 
Tränen in den Augen. Und von außen 
drängten Leute nach, die von der Schreckens 
botschaft erfahren hatten. Die fingen an 
zu beten und wollten helfen, wo sie helfen 
konnten. Aber es war umsonst. Der nächste 
Tag kam und mit ihm die Nacht. Da hatte 
der schwarze Tod wieder ein Opfer. Der 
- Pestkaplan hatte ausgelitten. 
Von der hochgelegenen Pfarrkirche Oster- 
miething läuteten die Glocken. Sie boten 
dem geschiedenen Seelsorger den letzten 
Gruß. Und im Pfarrhofe stand der Pfarrer 
Hofner vor seinem Pfarrbuch und schrieb 
ein: „Den 12. Dezember 1713 gestorben 
der hochwürdige Herr Kooperator Josef 
Aichpointner an der Pest..." 
Nun mußte er die Bestimmung treffen 
über das Begräbnis. Laut Verordnung 
durfte der Kaplan nur im Pestfriedhofe bei 
\ Tarsdorf bestattet werden, ohne Einsegnung 
und ohne Begleitung. 
Zu Mittag stürmten fünfzig Bauern aus 
der Wacht Tarsdorf in den Pfarrhof. 
„Pfarrer, ist's wahr, daß der geistlö 
Herr am Pestfriedhof kemma muaß?" frugen 
sie erregt. 
„Die Behörden verlangen's", sagte der 
Pfarrer. 
„Aber wir leiden's nöt!" donnerten die 
Bauern los, „er muaß am Kirchfriedhof!" 
„Leutln, da kann ich nix machn", wollte 
der Pfarrer beruhigen, „ich muß die Vor 
schrift befolgn." 
„Vorschrift hin, Vorschrift her! Soll 
denn a Christenmensch verscharrt werden, 
wia a Stückl Vieh...? Ha, Pfarrer, sag's? 
Bloß deswegn, weil's die Herrn drobn in 
L 
Salzburg und München so wolln? Dö 
Herrn, dö bloß anschaffn kinna, aber sich 
nöt zu uns raustraun? Und unser Kaplan 
soll da a dran glaubn müaßn? Na, Pfarrer, 
dös gibt's nöt! Wir leiden's amal nöt! 
Der Kaplan muaß a anders Begräbnis 
kriagn, wir verlangen's, Pfarrer, wir Bauern 
von Tarsdorf!" 
Der Pfarrer tat sein Möglichstes, unl 
den Leuten begreiflich zu machen, daß aller 
Widerstand vergeblich sei. Es würde sonst 
Gewalt angewendet werden. Sie müßten 
sich einmal nach den bestehenden Ausnahms 
gesetzen richten. Es bleibt einmal nichts 
anderes übrig. Oder wollten sie wirklich 
einen Aufruhr veranlassen? 
Da gaben sie nach und senkten im Pest- 
ftiedhofe den Pestkaplan in ein stilles Grab. 
Josef Aichpointner war nicht der einzige 
Pestkaplan, der ein Opfer seines Berufes 
geworden war. Noch manch andere Priester 
hatten mit dem schwarzen Tod Bekanntschaft 
machen müssen, ehe der Würgengel von 
hinnen schritt. Es waren allesamt Männer, 
in deren Brust das hohe Ideal des Hirten 
lebte, der sein Leben gab für seine Schafe. 
Sie scheuten weder Not, noch Tod. Sie 
waren Helden der Nächstenliebe. Katholische 
.Priester in Wort und Tat. 
Der Tarsdorfer Pestfriedhof existiert 
noch. Er liegt am Rande des Weilhart- 
forstes. Eine Kapelle steht darinnen mit 
einem Wandbild. Das zeigt das Fegefeuer 
mit den armen Seelen, einen Bauer und 
eine Bäuerin und den Tod als Dieb. Der 
fährt einen Schubkarren mit Geldsäcken und 
einem Totengerippe, dem eine Natter aus 
den Augen kriecht. (9. Heft, Rieder Heimat 
kunde, S. 77.) Darunter stehen die Verse: 
Freund, hier könnt ihr betrachten, 
Wann ihr sehet unsere Grabstatt an, 
Was das Leben ist zu achten, 
Was man auf der Welt getan. 
Gut und Geld und Reichtum machen 
Alles, was die Welt verspricht; 
Sein nur lauter Kindersachen 
Und ein eitles Truggesicht. 
Wann ihr nicht ein frommes Leben 
Und dabei geduldig seid, 
Wird es wenig Lohn abgeben 
Allhier in der Ewigkeit! Amen.
	        
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