Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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Ctits 5em Volke. 
Warum die Donnersberger 
Bierjäger heißen. 
In Kirchheimbolanden war Musterung. 
Die Burschen waren meist von Donnersberg 
Der erste tritt ein, wird gemustert und tauglich 
befunden; der Offizier entscheidet: „8. In 
fanterie-Regiment Metz!" — „Erlauben Sie", 
sagt der junge Mann, „ich möchte lieber zu 
den Jägern nach Zweibrücken." — „Gut; 
also Jäger." Der Rekrut geht freudestrahlend 
ab. Der zweite tritt ein. — „Tauglich 
zum Infanterie-Regiment Metz." — „Herr 
Oberst, ich möchte lieber zu den Jägern." 
— „Warum?" — „Eich huu mei Bläseer 
dra" (ich hab' mein Pläsier daran). — 
„Meinetwegen, also Jäger." — Der dritte 
tritt ein. „Tauglich, Infanterie-Regiment 
Metz." — „Ach, Herr Oberst, lieber zu den 
Jägern. Mein Vater hat da schon gedient." 
— „Also zu den Jägern." — Als auch 
das nächste Dutzend Donnersberger zu den 
Jägern will, seufzt der Offizier und fragt: 
„Warum wollt ihr denn alle bei den Jägern 
dienen?" — Tiefes Schweigen. Er fragt 
noch einmal. Wieder Stille. Da nimmt ein 
Gendarm das Wort: „Entschuldigen Sie, 
Herr Oberst, der Grund ist einfach: in Metz 
kostet das Glas Bier 25 Pfennig, in Zwei 
brücken nur 11 Pfennig " Darum sagt man: 
Die Donnersberger sind Bierjäger. (Deutsches 
Land und Volk im Volksmund von M. 
Plaut. 1897.)" 
Wie Einem zumute ist, der gehängt 
werden soll. 
Einst sollte ein armer Sünder gehängt 
werden. Er stand schon auf der Leiter, da 
hörte er ganz deutlich einen in der vordersten 
Reihe des Volkes stehenden Müller sprechen: 
„Ich möchte wohl wissen, wie dem dort zu 
mute ist." — Schon war die Schlinge um 
des Diebes Hals gelegt, als dieser schrie: 
„Halt, ich hab' noch was zu bekennen, ich 
hab' noch einen Mitschuldigen!" — Alles 
horchte auf und lauschte. „Der dort ist's", 
fuhr der Dieb fort, auf den erschrockenen 
Müller deutend. Dieser beteuerte seine Un 
schuld, aber es half ihm nichts. Es hieß: 
„Mitgegangen, mitgehangen" und so kam 
es, daß der Müller vor dem Dieb gehängt 
werdeü sollte. Schon legte der Henker die 
Schlinge um des Müllers Hals, als der 
Ankläger ausrief: „Halt, ich hab' noch was 
zu bekennen!" Alles horchte auf und lauschte 
wieder erwartungsvoll. Da wandte sich der 
Dieb gegen den in Todesangst zitternden 
Müller und fragte ihn: „Weißt du nun,'wie 
einem unter dem Galgen zumute ist?" Und 
zu den Richtern gewandt, sprach er: „Dieser 
Mann ist unschuldig; ich wollte nur seinen 
Vorwitz bestrafen, da er zu wissen verlangte, 
wie mir zumute sei." — (Das Kloster von 
Scheible.) 
Der Hose. 
Der Hase überdachte einmal sein trau 
riges Los. „Nicht allein vor den Menschen"^ 
sagte er, „sondern auch vor allen Tieren 
muß ich fliehen." Er beschloß daher, seinem 
Leben ein Ende zu machen und ging nach 
dem nahen Fluß, sich zu ertränken. Da sah 
er, wie ein Frosch erschreckt vor ihm auf 
sprang und in hastigen Sprüngen dem Wasser 
zueilte. „Halt", sagte er da, „es gibt doch 
noch ein Tier, das vor mir flieht. Ich bin 
noch nicht am übelsten daran." Sofort kehrte 
er um und trug nun von nun an sein 
Kreuz mit Geduld. (Aus dem Kreise Kolberg 
von Asmus und Knoop. 1898.) 
Wie verderblich der Aberglaube ist. 
Auf der Brem erhöhe im Harz war ein 
reicher Windmüller. Der ganze Wald samt 
dem Berg hat ihm gehört. Einmal geht er 
an einem Frühlingsmorgen in seinem Forst 
spazieren. Da hört er einen Kuckuck schreien. 
Ei, denkt er, sollst doch auch einmal hören, 
wie lange du noch zu leben hast. Also fragt 
er den Kuckuck, wie lange er wohl noch 
leben werde. Der schreit: „Kuckuck! Kuckuck! 
Kuckuck!" — Ei, denkt der Müller, wenn du 
nur noch drei Jahre zu leben hast, so sollst 
du dir's noch recht gut machen. Er fängt drum 
zu wirtschaften an, daß er nach drei Jahren 
keinen Baum mehr hat, viel weniger einen 
Forst. So mutzte er betteln gehen und wenn 
er jemand um ein Almosen ansprach, sagte er: 
„Seid doch so gut und teilt einem armen 
Mann etwas mit, den der Kuckuck betrogen 
hat." (Harzsagen von Pröhle. 1854.)
	        
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