Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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Unter Marias Schutzmantel. 
Von Josef Liensberger. 
Nahe dem Sturmjahr 1848 mußte 
Galizien furchtbares Elend erfahren, das 
Elend der Empörung: 
Da zerret an der Glocke Strängen 
Der Aufruhr, daß sie heulend schallt 
Und, nur geweiht zu Friedensklängcn, 
Die Losung anstimmt zur Gewalt. 
Statt friedlich der Arbeit sich zu wid 
men, ergreifen sogar Landleute die Waffen: 
immer gewaltiger wütet dieser Sturm mit 
Feuer und Schwert. Davor mag auch das 
Rittergut N. zittern. Der Schloßherr ist 
eben verreist; wie wird's aber seinen Kindern 
gehen? Von weitem stürmt schon die Horde 
gleich der wilden Jagd heran, grausam zu 
morden und zu sengen. Wo sollen die Kinder 
Schutz suchen? Bei der himmlischen Mutter! 
Vom Hausaltar leuchtet ihr liebliches Bild. 
Hier knien die Kinder voll Vertrauen nieder, 
beginnen innig zu beten und singen: 
Unter deinen Schutz wir fliehen! 
Zwar erdröhnen schon Schläge ans 
Hoftor, näher dringt wildes Fluchen, ja 
bereits stürzet die Horde herein — doch 
(Nachdruck verboten.) 
innig beten und singen die Kinder noch 
immerfort. Und siehe, keiner der sonst so 
grausamen Empörer wagt's, den Kindern 
ein Leid anzutun oder ihre Heimat in Brand 
zu stecken. Still ziehen sich alle zurück, ver 
lassen das Rittergut, ohne Schaden zu stiften. 
Wie danken jetzt die Kinder voll Freude 
der himmlischen Mutter! 
Dies tröstliche Beispiel las ich vor 
Jahren im Lebensbild des Missionärs 
P. Karl Antoniewic 8. 4. Nun, in den 
Stürmen des Weltkrieges dachte ich oft daran: 
Wie viele Kinder haben da ssuflucht gejucht 
und gefunden unter dem Schutzmantel der 
himmlischen Mutter! Aber auch viele Er 
wachsene, zumal viele Krieger, haben im 
Toben und Tosen der schaurigen Stürme 
mit kindlichem Vertrauen die himmlische 
Mutter angerufen: 
Maria, breit' den Mantel aus. 
Mach' einen Schirm und Schild daraus. 
Laß uns darunter sicher stehn, 
Bis alle Feind' vorübergehn! 
Patronin voller Güte, 
Uns liebereich behüte! 
GGGGGG 
Wenn mancher Wann wüßte, wer mancher Wann wär'usw 
Unter dieser Aufschrift erzählt die 
„Deutsche Kirchenzeitung" (2. Jahrgang, 
Nr. 30) folgende Begebenheit: Stieg da 
kürzlich in einem Württembergischen Bahn 
zug auch ein Ordensgeistlicher ein, der den 
Mitreisenden, meist Soldaten, aus zwei 
Gründen auffiel: erstens weil er ein Ordens 
mann war, zweitens weil er wohlbeleibt war. 
Letztere Eigenschaft ist, wie jeder verständige 
Mensch weiß, durchaus nicht immer mit 
dem Appetit in Verbindung zu bringen. 
Der Pater setzt sich und liest in einem 
Buch. Ein Tuscheln, ein Deuten, ein Lachen, 
besonders bei den Soldaten. Der Pater ver 
zieht keine Miene. Nun halblaute Bemer 
kungen wie : So einer gehört ins Feld. 
Soldatenkost wäre da ne gesunde Kur. — 
Der Pater schweigt. Endlich laute Anrem 
pelungen und spöttisches Gelächter. Da zieht 
der Pater eine Dose aus der Kutte und 
schnupft. Dann holt er ein Schächielchen 
aus der Tasche und langt daraus drei Dinge 
hervor, die er sich schweigend anheftet: 
das Eiserne Kreuz 1. Klasse, einen bayrischen 
Kriegsorden und das Verwundetenabzeichen. 
Staunende Blicke, ein Tuscheln und Deuten, 
aber kein Lächeln und Lachen mehr, und 
dann ernste Stille. Der Pater aber montiert 
wieder ab, packt seine drei Ehrenzeichen 
wieder ein, nimmt nochmals eine Prise und 
liest schweigend weiter. Niemand hat ihn 
auf seiner Fahrt mehr belästigt.
	        
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