Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1919 (1919)

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II. Bon Josef Harter-Hart, Steyr. (Nachdruckverboten.) 
Um diese Zeit tauchte in und um Steyr 
die Lehre der Waldenser auf, welche sich 
„Arme von Lyon" oder „Demütige" (Humi- 
liaten) nannten. Sie hießen auch nach dem 
Ort der Entstehung Leonisten, „xauptzi'tzs 
äs Uugäuuo" wegen der freiwilligen Armut, 
welche der Gründer und dessen erste Ge 
nossen nach der Weisung Christi und dem 
Vorbild geistlicher Orden, vornehmlich der 
Bettelorden (Dominikaner und Franzis 
kaner), streng beobachteten; Sabatati wegen 
der hölzernen Schuhe und Humiliaten wegen 
der Demut, welche sie in der Erstzeit des 
Bestandes an den Tag legten. Gestiftet 
wurden sie von Peter von Vaux (Waldes), 
einem reichen Kaufmann von Lyon, dem 
eifriges Lesen der Heiligen Schrist 1173 
tiefreligiös stimmte. Er überließ das an 
sehnliche Vermögen seiner Frau und sam 
melte um sich arme Genossen, mit denen 
er einen Verein apostolischer Armut gründete. 
Er und seine Anhänger predigten unter der 
ärmlichen Bevölkerung. Sie lasen Bibel 
stellen vor und erklärten diese nach ihrer 
Anschauung, weswegen ihnen der Bischof 
die Borträge untersagte. Doch der Stifter 
rief die Entscheidung des lateranischen Kon 
zils (1179) an und erschien in der Ver 
sammlung. Man suchte ihn friedlich zu 
bewegen, die Predigten zu unterlassen. Doch 
„die Demütigen" fügten sich nicht. Waldes 
mit seinen Anhängern wurde deshalb 1183 
vom Papst Lucius III. als Ketzer gebannt 
und der Magistrat Lyon verwies dem Stifter 
die Stadt. Dieser wandte sich nach Italien. 
Als er sich dort nicht mehr sicher fühlte, 
begab er sich nach Böhmen, wo er 1197 
sein unstetes Leben schloß. Papst Inno 
zenz III. suchte die Sekte in den Schoß der 
Mutterkirche zurückzuführen und machte ihnen 
Zugeständnisse, weshalb es ihm gelang, 
einen Teil als „pauptzros catholici“ zu 
bekehren. Seine Bekehrungsversuche unter 
stützte der „Verein der katholischen Armen 
von Lyon", welcher 1212 die päpstliche 
Bestätigung erhielt. Doch weder Papst noch 
Verein konnten die Sekte bekehren. Ueber 
die Hartnäckigen sprach das Laterankonzil 
1215 den Bann aus. Trotzdem verbreitete 
sich die Lehre in Südfrankreich, Nord 
italien, Deutschland und Böhmen. Da so 
wohl Predigten als Belehrungen nichts 
fruchteten und ihre Lehre in Raserei und 
Fanatismus entartete, sah sich Papst Six 
tus IV. 1477 bewußt, gegen sie einen 
Kreuzzug zu predigen. Unbeschadet harter 
Verfolgung hat sich die Lehre in den wilden 
Bergschluchten von Piemont und der Dau 
phins erhalten. Noch 1680 wurden viele 
Tausende durch verbündete Franzosen und 
Italiener ermordet. Die Lehre verbreitete 
sich in Oesterreich um so leichter, als sich 
ihr verwandte Religionsgenossenschaften an 
schlossen. In Italien bildeten die „lombar 
dischen Armen" einen Zweig der Waldenser. 
Ebenso schlichen sich bald die Sätze der 
Katharer, welche den Grundlehren der 
Manichäer huldigten. Hiedurch war ihre 
religiöse Einheit stark erschüttert und ge 
fährdet. Die in die Schweiz ausgewanderten 
Waldenser eroberten 1689 unter Führung 
ihres Geistlichen Henri (Heinrich) Armaud 
Wohnstätten in Piemont. In Böhmen ver 
einigten sie sich mit Hussiten und „Böhmi 
schen Brüdern", in Frankreich mit den Re 
formierten, wo sie in Dogma und Kirchen 
verfassung die radikalste Form annahmen. 
Seit 17. Februar 1848 sind ihnen durch das
	        
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