Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1918 (1918)

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Betriebsleiter Kellen im Dorfgasthaus zu 
sehen. Er schien ein anderer geworden zu 
sein. Lachte zum Erstaunen der Bauern mit 
den Tischnachbarn und tat so, als ob er 
jahrelang kameradschaftlich mit ihnen ver 
kehrt habe. 
Als einer der darob Neugierigen direkt 
aufs Ziel ging und ihn fragte, was der 
Grund der guten, außergewöhnlichen Stim 
mung sei, da rückte der sonst so sehr ver 
schlossene Mensch heraus und erzählte: 
„Ihr wißt es bereits, ich fühle das an 
eurem Verhalten zu mir, daß mein Sohn 
Rudolf ein schlecht geratener Sohn war. 
Als man ihn eines Tages von mir fort 
nahm, weil ich ganz und gar nicht mein 
Vaterrecht über ihn durchsetzen tonnte, da 
hat mich dieses so verbittert, daß ich von 
da an den Verkehr mit den Menschen so 
viel als möglich meiden wollte. Es quälte 
mich, den Sohn, aus dem ich so gern einen 
tüchtigen Menschen gemacht hätte, als 
Zwangszögling in einer Anstalt zu wissen. 
Schon hatte ich die Hoffnung aufgegeben, 
es würde gelingen, ihn auf den rechten Weg 
zu bringen. Aber Gott lebt noch. Als der 
Krieg ausbrach, besuchte mich der Sohn, 
um Abschied zu nehmen, weil auch er der 
ehrlichen Ueberzeugung war, daß ein jeder 
etwas für sein Vaterland tun soll. Und, so 
meinte er, wolle er dem Vaterlande seine 
Kraft weihen, indem er mit den anderen 
gegen die Feinde streite. Ich war gerührt. 
Also hatte die große Zeit bei ihm das Ehr 
gefühl geweckt, das er bisher nicht kannte. 
Ich gab dem Jungen gerne meine Ein 
willigung zum Eintritt ins Heer und dankte 
Gott, weil endlich Anzeichen vorhanden 
waren, daß ein rechter Mann aus meinem 
Sohn werde. In vielen Kämpfen ist er 
dabei gewesen, war verwundet und schreibt 
mir heute, er sei in den Tagen der heißen 
Schlacht in den 
Masuren wie 
durch ein Wun 
der gerettet wor 
den, weil eine 
feindliche Kugel 
an dem Kreuze, 
das ihm beim 
Abschied der An 
staltsgeistliche 
als Geleit in den 
Kampf gab, ab 
geprallt sei. Er 
schreibt in einem 
weiteren Briefe, 
wie er sich vor 
genommen habe, 
dafür sein Leben 
lang dem Him 
mel zu danken 
und ein braver 
Mensch zu wer 
den, der seiner l 
Familie, wenn der Herrgott es zugäbe, daß 
er nach Beendigung des Krieges zurückkehre, 
durch ein besseres Leben alle ihr bereiteten 
Unerträglichkeiten ersetzen werde." 
Eine Träne der Freude erglänzt in den 
Augen des alten Herrn, als er dann noch 
den erstaunt zuhörenden Dörflern mit er 
hobener Stimme zuruft: „Und am Schlüsse 
des Briefes heißt es: Der Kaiser hat mir 
für mein Verhalten vor dem Feinde das 
Eiserne Kreuz verliehen." 
Lange noch ist die Unterhaltung fort 
geführt worden, und als nachher die Zeit 
kam, heimwärts zu gehen, da herrschte zwi 
schen den Bauern und dem Betriebsleiter 
ein herzliches Verhältnis. 
Landwehr-Jnsanierie-Regiment Nr. 2 (August 1916). 
Phot. Schwarz, Linz.
	        
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