Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1917 (1917)

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doch habe ich gesiegt in dein Kampfe, bin 
trotz Not und Sorge ein ehrlicher Mann 
geblieben und danke täglich meinem Herr 
gott dafür! . . . Solange man noch rein 
und ohne Tadel dasteht, ist noch nicht alles 
verloren; auch der Arme kann emporsteigen, 
solange er nicht von: rechten Wege abweicht 
— hat ein Mann aber die Ehre und das 
Selbstvertrauen verloren, dann ist der 
Abgrund geöffnet, der ihn über kurz oder 
lang verschlingen wird. . . . Darum denken 
Sie an meine Worte und handeln Sie 
danach — fürchten Sie die Schande und 
den Abgrund!" 
Der alte Mann schwieg und trank hastig 
ans dem Wasserglase, das auf dem Schreib 
tisch stand; dann fügte er freundlich hinzu: 
„Wenn ich nicht irre, sind auch hier im 
Hause kleine Arbeiten vorzunehmen, die 
Sie ausführen können und die ich Ihnen 
sofort vergüten würde. Ich will nachsehen 
und komme in einigen Minuten zurück." 
Er schritt eilig hinaus und kehrte erst 
nach geraumer Weile zurück. Als er wieder 
in das Zimmer trat, hatte sich dort schein 
bar nichts geändert, doch auf den Zügen! 
des bedrängten Tischlermeisters lag jetzt 
ein anderer Ausdruck. 
Wie stille Freude und heiße Dankbarkeit 
leuchtete es aus seinen Augen, und ehe 
Petersen es verhindern konnte, hatte er 
dessen beide Hände ergriffen und drückte! 
sie leidenschaftlich, ohne ein Wort zu sprechen. 
Dann ließ er sich die vorzunehmende Arbeit 
zeigen und eilte fort, um sein Werkzeug zu 
holen und noch heute zu beginnen. 
Der alte Holzhändler hatte sich wieder 
an seinen Schreibtisch gesetzt und blätterte 
in den Büchern. Mit ernsten Blicken schaute 
er auf die Geldrollen, die wieder vollzählig 
auf ihrem Platze lagen und murmelte leise: 
„Ja, ja, die Not; die harte Not!" 
Dann vertiefte er sich wieder in seine 
Arbeiten. 
Ar ©au des ifflariä Cmpfängnta Domes in Lin;. 
Die ungewöhnlich lange Dauer des ent 
setzlichen Weltkrieges konnte nicht ohne Ein 
fluß auf die entsprechende Fortführung des 
Baues bleiben. Viele der Steinmetze wurden 
zum Kriegsdienste berufen, so daß deren 
Zahl von 55 auf 8 herabsank; die Spenden 
flössen spärlicher, da sie begreiflicherweise 
der Kriegsfürsorge in ihren verschiedensten 
Zweigen zugewiesen wurden, die Löhnungen 
mußten entsprechend erhöht werden usw. 
Dazu kam dann noch, daß auch der Staat 
nach den für die Kriegszwecke des dritten 
Jahres nötigen Materialien: Kupfer, Blei 
(von den Akkumulatoren) griff und nun auch 
die aus jahrelangen Sammelgeldern beschaff 
ten Glocken zu einem großen Teil in An 
spruch nehmen will. Und doch kam der Bau 
nicht ins Stocken und schreitet langsam vor 
wärts. Unser unermüdlicher Baumeister 
schreibt über den Baufortgang: 
„Anschließend an den Bericht im Kalender 
1916 sind folgende Arbeiten ausgeführt worden: 
Im Herbste 1915 wurden die drei Hochschiff 
felder gegen das Presbyterium zu eingewölbt. 
Der eiserne Dachstuhl ist über das linksseitige 
Querschiff aufgestellt, verschalt und mit Dach 
pappe provisorisch eingedeckt worden. — Im 
Frühjahre 1916 waren die Gewölbefelder des 
Hochschiffes soweit fertiggestellt, daß diese Ge 
wölbe mit einem Mörtelguß überzogen und 
gegen den Dachboden zu mit Hartmörtelverputz 
hergestellt werden, konnten. — Der Querschiff 
giebel wurde gegen den Dachboden zu mit einer 
Mauer feuersicher abgeschlossen. Diese Mauer ist 
so angeordnet, daß später die reich ausgestaltete, 
mit Maßwerken und Verzierungen sowie mit 
Krabben versehene Giebelmauer aus Stein nur 
vorgelegt zu werden braucht. — Bei dem links 
seitigen Querschiffportale sind die Kreuzblumen 
und die Giebelkrabben angebracht worden. — 
Beim rechtsseitigen Querschiffe wurde im heu 
rigen Sommer mit den Versetzarbeiten begonnen 
und ist heute die zwanzigste Schichte bereits ver 
setzt.^ Mit diesen Arbeiten ist der Domgrundriß 
vollständig nach außen hin angelegt. — Das 
rechtsseitige Querschiffportale, welches ebenfalls 
wie das linksseitige Portal aus Untersberger 
Marmor hergestellt wird, ist zum Teile versetzt 
und nach innen vollständig fertig hergestellt. Der 
äußere Vorbau dieses Portales wird erst nach 
dem Aufbau des Querschiffes fertiggestellt. — 
In der Steinmetzhütte wird mit 9 bis 11 Stein 
metzen, darunter 2 Verzierungssteinmetzen, weiter 
gearbeitet und sind die Arbeiten für das rechts 
seitige Querschiff bis zur 27. Schichte fertig 
gestellt. Die Verzierungssteinmetzen arbeiten 
größtenteils an den Verzierungen des rechten
	        
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