Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1916 (1916)

Zwei wackere Priesterhelden 
ott sei uns gnädig und barmherzig, die 
Russen kommen!" riefen sich an einem 
schönen Frühlingstage die Bewohner eines 
galizischen Ortes ängstlich zu. Aus der Ferne 
dröhnte Kanonendonner. Ein tiefes, dumpfes, 
an Gewitterrollen mahnendes Dröhnen. Und 
nun trafen die armen Leute, 
von der Kriegsnot heimge 
sucht, ihre Anstalten, um die 
wertvollsten und unentbehr 
lichsten Habseligkeiten zu 
sammenzuraffen und mit 
ihnen die Flucht zu ergreifen. 
Nur der Ortspfarrer dachte 
an keine Flucht. Um keinen 
Preis wollte er das ihm 
anvertraute Heiligtum ver 
lassen. Dagegen ging er von 
Haus zu Haus, um den 
Flüchtenden Rat und Trost 
zu spenden, wie er es un 
ermüdlich durch so viele 
Jahre an dieser Stätte sei 
nes Wirkens getan hatte. 
Dabei woben die leuchtenden 
Sonnenstrahlen eine Glorie 
um das Haupt des Priester- 
greises. Mit Wehmut sah 
er seine Pfarrkinder, mit 
denen er getreulich Freud 
und Leid geteilt hatte, ab 
ziehen. Allen gab er seinen 
Segen mit. Hierauf begab 
er sich in die Kirche, ver 
barg das Kirchenvermögen 
sowie Monstranze und Zi 
borium und endlich die ge 
weihten Hostien, um sie vor 
Verunehrung zu bewahren. Nachdem dies er 
ledigt war, warf er sich vor dem Tabernakel 
auf die Knie, um für seine Pfarrkinder, für 
Kaiser und Vaterland vom göttlichen Heiland 
Hilfe und Rettung, für sich selbst aber Stark 
mut und Treue bis zum Ende zu erbitten. 
Noch ein kurzes Gebet vor dem Gnadenbilde 
der Mutter Gottes und dann begab sich der 
Priestergreis festen Schrittes in das Pfarr- 
baus. Er war bereit. Er war nun allein 
mit seinem lieben Kirchlein. Immer näher 
kam der Schlachtendonner. Bald konnte man 
auch das Geknatter des Kleingewehrfeuers 
unterscheiden. Als die Schatten der Däm 
merung an den Wänden der priesterlichen 
Wohnung hinaufkrochen, wurde das Dorf 
laut vom Stampfen der Rosse, dem Rasseln 
der Trainwagen und wildem 
Kriegsgeheul. Ein halbes 
Dutzend Kosaken, wilde, ver 
wegene Gestalten, drangen 
in das Pfarrhofgebäude und 
verlangten von dem greisen 
Priester Geld. 
„Was ich habe, will ich 
euch geben" ,sagteder Pfarrer, 
sperrte die Schublade seines 
Schreibtisches auf und über 
reichte ihnen 500 Kronen. 
„Mehr besitze ich nicht", 
fügte er hinzu. 
„Heraus mit dem Kir 
chengelde", wetterten die 
Moskowiten, „oder wir schla 
gen dich nieder wie einen 
Hund!" 
„Das Kirchengeld ge 
hört nicht mir. Darum kann 
ich es euch auch nicht geben, 
auch nicht um den Preis 
meines Lebens." 
Nun band die wilde 
Horde den Pfarrer an Hän 
den und Füßen, preßte ihm 
einen Knebel in den Mund 
und warf ihn auf das Bett. 
„Bis morgen geben wir dir 
Bedenkzeit, ob du uns das 
Verlangte geben willst oder 
nicht. Wenn nicht, so hast du dein Leben ver 
wirkt." Mit diesen Worten entfernten sich 
die Kosaken und überließen den Priester 
seinem Schicksale. Da dieser fest entschlossen 
war, um keinen Preis das Kirchenvermögen 
den Russen auszuliefern, benützte er die 
Nacht, um sich auf den Tod vorzubereiten. 
Der Morgen begann zu grauen. Voll 
Fassung sah der Seelenhirt seinem Ende ent 
gegen. Plötzlich ertönte Trompetenschall. War 
es Täuschung oder Wirklichkeit? Der Pfarr- 
Aktdeutfche Wadannenstatue in der 
Pfarrkirche z« Hrieskirche«.
	        
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