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Gelungene Uolportage.
Uebersetzung aus dem Spanischen von P. Matthias Grammer C. 88. R.
(Hormiga de oro 1911.) Nachdruck verboten.
1.
Reich an irdischem Besitz war sie nicht,
die Paquita (= kleine Josefa) unserer Er
zählung. Was sie aber hatte, von dem machte
sie den alleredelsten Gebrauch. Und eine
besondere Findigkeit war ihr eigen, sich den
Zeitverhältnissen anzupassen, um den Be
dürfnissen der Neuzeit entgegen zu kommen.
Den Verdienst ihrer Näherei teilte Paquita
in drei Teile. Sie verdiente ziemlich viel;
denn Paquita war eine fleißige, geschickte,
daher viel gesuchte Näherin. Den ersten
ein. So wurde die katholische Presse auch
dorthin kolportiert, wo man sie nie abonniert
hätte. Auch blieb sie nicht ungelesen. Viele
Finder lasen zuerst aus Neugier, dann aus
Interesse, einige gar aus Begeisterung. Sie
wurden von vielen Findern abonniert; und
wie es schon geht: jene, welche sie abonnierten,
wurden Anhänger und Parteigänger der
christlichen Sache. Welche kluge Juugstau!
Allerdings wußte Paquita nur wenig von
dem Erfolg ihrer zeitgemäßen Aussaat. War
auch nicht notwendig. Gott und die Engel
führen auch Tagebuch. Dort
ist jede gute Tat eingetragen
und daneben der Lohn in
der Ewigkeit verzeichnet. Die
Näherin brachte, wo es nötig
war- heimlich oder öffentlich,
ohne aufdringlich zu werden,
auch geistliche Bücher in die
Wohnungen. Sie kaufte auch
diese an.
2.
Eine toledanische Nacht.
An der Brücke San Servando
lehnt ein Schuster. Unten
rauscht der Tajo. Es ist zwischen 11 und
12 Uhr. Finstere Nacht ist, nur durch die
Gaskandelaber erhellt. Noch finsterer ist
es im Innern des Schusters. Bartolo — dies
sein Ncme — ist Anarchist, ist Nihilist, ist
ein Neuheide. Er glaubt an nichts. Aber er
hat auch nichts. Er hätte schönen Verdienst
gehabt, gerade so wie die Näherin. Aber
Bartolo geriet in die Klauen der Sozial
demokratie. In den Kneipen verlor er Geld
und Glauben. Sein Evangelium war die
rote Umsturzpresse. Mit Heißhunger ver
schlang er die schlechten Blätter. Bei dieser
Lektüre freute ihn natürlich die Arbeit auch
nicht mehr. In der letzten Zeit hatte er
auch infolge beständigen Lesens schlechter
Schriften bei Tag und Trinkens bei der Nacht
so liederlich gearbeitet, daß ihm die Kunden
davon gingen. Zuletzt hatte er den Dreifuß
und Ahle und Knieriemen ganz beseitigt.
Bürgermeister von Hagenberg Johann Stöger und seine Frau
Katharina bei der Feier der silbernen Hochzeit.
Teil legte sie zurecht für ihren, allerdings
bescheidenen Unterhalt. Der zweite Teil,
schon etwas mehr, war für ihre Mutter,
welche in einem Asyle lebte, zur Unter
stützung bestimmt. Das letzte Drittel ihres
wohlverdienten Lohnes, wem wird Paquita
das wohl vermacht haben? O Leserin,
o Leser, nehme dir ein Beispiel an dieser
Näherin: es war ausschließlich der Förde-
rungderguten, der christlichen Presse
gewidmet! Und wie geschickt diese Näherin
in diesem Unternehmen war! Selbst ge
diegen fromm, handelte sie nicht eigen
sinnig; nach der Anleitung der Priester
kaufte sie die eben gerade wichtigen Tages
blätter, ließ dieselben wie zufällig in den
Gast- und Kaffeehäusern, auch wohl auf
einer Bank im Park, in der Tramway, auf
der Gasse liegen. Oder sie wickelte in diese
katholischen Zeitungen ihre fertigen Arbeiten