Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1914 (1914)

gegen 5 Uhr morgens. Da hatte mein 
rücksichtsvoller Gast ausgeschlafen. Er be 
gann zunächst Toilette zu machen. Ich hörte 
ein taktfestes Klopfen, das mir erst ver 
ständlich wurde, als ich Licht machte. Aha! 
Der junge Herr reinigte mit der Hinterpfote 
sein glänzend schwarzes Fell. Als er meinen 
neugierigen Blick bemerkte, drehte er sich 
indigniert um, ohne sich in seiner emsigen 
Tätigkeit stören zu lassen. Nun machte ich 
ihn: klar, daß in der zivilisierten Welt das 
Teppich- und Kleiderklopfen erst von 7 Uhr 
früh an gestattet sei. Mein kluger Spitz 
seufzte über diese Tyrannei, ließ sich aber 
eines besseren belehren und breitete seine 
Glieder in anmutiger Reihenfolge auf 
meinem Bettvorleger aus. — Auch ich 
kroch wieder unter die Decke. — Kaum hatte 
ich ein Viertelstündchen geruht, da wurde 
ich durch den Nimmerruh neuerdings ge 
weckt. Rastlos wanderte er im Zimmer hin 
und her. Ich entzündete das zwanzigste 
Lichtscheit und besah seine Missetaten. - 
Was ich nur gedacht im Traum — 
Ich sah's, ich roch's — und glaubt' es kaum! 
Es war erschreckende Wirklichkeit. Wo 
nur? Ich dachte an meine teure, grantige 
Frau Hube, an den erst gestern frisch ge 
wichsten Boden, an meine Verantwortlich 
keit und beseitigte mit viel Papier und 
Sinuesabtötung, so gut es ging, die Spuren 
seiner Wirksamkeit. Dabei konnte ich mir 
nicht versagen, mein Mütchen an dem Böfe- 
wicht zu kühlen und schlug ihm die- Zeitung 
ein paarmal kräftig um die Ohren. 
„Wo rohe Kräfte sinnlos walten, 
Da leg' ich meine Stirn in Falten" . 
dachte der empörte Dulder ' und ver 
kroch sich in den hintersten Winkel meines 
Zimmers. 
Frau Huber, die gestrenge, hörte den 
Rummel in meinem Zimmer und da ihr 
das zu so früher Stunde höchst ungewöhnlich 
und beunruhigend erschien, kam sie als 
mutige, energische Frau an meine Türe 
klopfen. Ich öffnete. Der Spitz warf sich 
mit freudigem Gebell auf sie, zerrte sie 
neckisch beim Rock und als sie — die über 
die Jahre neckischer Anmut längst hinaus 
war, darauf nicht einging, biß er sie im 
jugendlichen Uebermut in die dicken Filz 
patschen. Sie-war anfangs wie verdonnert 
Preßoereins-Kalender 1914. 
dagestanden, erst bei den Tätlichkeiten 
meines Schützlings kam Leben in sie. Ihre 
Blicke wanderten vom Hund zu dem dunklen 
Fleck auf dem glänzenden Boden und 
zuletzt zu mir, der ich übernächtig, müde und 
blaß der Dinge harrte, die nun kommen 
würden. Und sie kamen! 
„Sö Herr Doktor", schrie sie, „des is a 
Infamie von Ihnen. Wolln S' mi frozzeln, 
Sö, des hot no kaner probiert. Ich möcht's 
Der hl. Josef. 
Gemälde in der Karmelitenkirche in Linz. 
Jhna a net roten, Sö Hungerleider Sö! 
Und daß Sie's wissen, mia zwoa sän firti 
mitanand! Verlassen Sö schleunö mei 
Wohnung; koan Zins net zahlen und no a 
anständige Frau papierln, na — das wer'n 
ma seh'n, wer da Straf zahlt. Packen S' 
Jhnere sieben Zwetschken z'samm, oba 
g'schwind, und wonn i bis z' Mittag mein 
rückständigen Zins net hob', geh' i' auf die 
Polizei. Und wenn d' Wohnung leer steht, 
8
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.