Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1914 (1914)

starker Faden zog sich dies Wörtlein durch 
die ganze Kette von großen und kleinen 
Lenzen — durch das ganze Leben der 
Frau. Ob sie umsonst vertraute? Gott hat 
in der dunklen Stube, die Kinder knien 
mit brennenden Kerzen um das Bett, sie 
selbst ist ganz still, aber in ihrem Kopfe dreht 
sich alles. Sie weiß, jetzt kommt der schwerste 
Moment.... Eine Stunde vor dem Tode 
kam die Besinnung. Sie fühlt's noch, wie 
er ihr die Hand drückt, ein Vergelt's Gott 
sagt, dann still in den Kissen liegt und den 
Heiland erwartet. Ihr Josef, der Primiziant, 
steht als Neunjähriger zu des Vaters Kopf 
— in das flackernde Kerzenlicht fallen große 
Kindertränen.... Ganz still wird's in der 
wirklich alles gut gemacht. Er hat's gefügt, 
daß.der Josef zum Studium kam, daß er 
nach ernster Ueberlegnng in das Seminar 
eintrat und daß auch die anderen Kinder zu 
braven, tüchtigen Menschen heranwuchsen. 
Tag und Nacht hatte sie gearbeitet. Aber 
heute ist alles vergessen. Sie fühlt schon 
jetzt den Segen, den die großen und kleinen 
Aus den Passionsbildern der Pfarrkirche Garsten. 
Krankenstube, nur der Priester betet, dann 
und wann ganz leise der arme Vater. Auf 
einmal zieht's wie Himmelsfreude über das 
bleiche Gesicht — ein festes Fassen des 
Kreuzes — ein Zucken — und der Vater ist 
beim Vergelter aller Leiden. 
Jetzt kamen die zwölf Jahre voll Not 
und Sorge. Wie oft war trotz der Arbeit 
kein Brot zu finden in der feuchten, kalten 
Stube! Viel Unglück und viel Mühe kam 
über die Frau — aber die Kinder blieben 
ihr und ihr starkes Gottvertrauen. „Der 
Herrgott macht alles gut." Wie ein goldener, 
Kreuze mit sich bringen — der Josef ain 
Altar! 
Herrgott, du hast geholfen — wie soll 
ich dir danken? 
Der Ministrant läutet zur Wandlung. 
Der Priester beugt sich über das kleine 
Stücklein Brot und spricht die Wandlungs- 
Worte — da fühlt's die glückselige Mutter 
und weiß es: jetzt ist der Heiland am Altar 
mit all seiner Güte und Liebe, mit seinem 
Erbarmen und seiner Milde. Ihr Kind 
durfte den großen Gott vom weiten, strahlen 
den Himnrel auf die arme, kummerbeladene
	        
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