Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1913 (1913)

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würdig, an schöne Kleider dachte sie nicht 
mehr, nur darauf sah sie, daß sie mit ihren 
Kindern nicht zerrissen einherging; was doch 
Zeit und Umstände lernen! 
Der Mann hat's hoch g'schätzt, sein 
tapferes Weib. Rührend war's auch, wie 
sie auf ihn schaute; die besten Bissen bekam 
er und sie lehrte die Kinder, sich dem Vater 
zulieb mit dem Geringsten zu begnügen; 
welch ein Adel liegt doch oft in dem ein 
fachsten Weib aus dem Volke! 
Aber da kam der Tod und riß die treuen 
Herzen entzwei; die Armut wurde noch 
ist eine Wohltat für beide. Die eine Tochter 
ist in Amerika und hat zu Gunsten der 
Mutter auf den Anteil am Häuschen ver 
zichtet und viel Glück den jungen Leuten ge 
wünscht. O, nun wollten sie fest zusammen 
halten ! So viel ihr möglich, will die Mutter 
noch beihelfen; freilich viel vermag sie nicht 
mehr, so hinfällig und gebrechlich wird sie, 
zu viel des Schweren hat sie geleistet; das 
beugte ihr vor der Zeit den Rücken. 
Nun, der Schorsch scheint ja die Güte 
selbst zu sein; er weiß, wie die Mutter 
gedarbt, sich gemüht, dieses Beispiel großer. 
Bilder aus Oberösterreich: Die neue elektrische Bahn Linz—Eferding. Die Ausgangsftation Linz. 
Phot. Schwarz, Linz. 
größer, erwachsene Kinder starben nach, 
folgten dem Vater in die ewige Heimat; 
die Trauer im Hause nahm kein Ende. 
Ein Glück war's, als nach vielen Jahren 
der jüngste Sohn sein Meisterstück gemacht 
und nun das Geschäft des Vaters wieder 
begann. Dieses, mit rüstigen Händen geführt, 
blühte, wie nie vorher. 
Die alte Mutter war voll Freude, konnte 
nun endlich wieder von der Zukunft hoffen. 
Der Sohn heiratete, ein so liebes, freund-^ 
liches Mädchen. Geld hatte sie keines, aber 
gerade deshalb, dachte die Mutter, wird sie 
noch mehr auf uns schauen und das nette 
Häuserl, das ich den Kindern geben kann, 
opfernder Mutterliebe sollte doch gelohnt 
werden. O, nun bekommt sie's besser ! Und 
das gute, gramdurchfurchte Gesicht leuchtet 
vor Freude. 
Ein paar Monate genoß sie das erhoffte 
Glück, dann war's vorbei. Die junge Frau 
hatte nur eine schöne Außenseite, innen sah 
es traurig und trübe aus. Die alte Mutter 
stand bald im Weg und leider ließ sich auch 
der Sohn bereden; ein kleines Stüberl 
wurde hergerichtet für die Alte. Da pfiff 
der Wind durch die Fensterfugen, kein Oeferl 
war da für den kalten Winter, ein hartes 
Bett bekam sie, ein wacklig's Tischerl. Auch 
den Goffine sollte sie haben, denn da ist
	        
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