Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1911 (1911)

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ihn seine Worte veranlaßt hatten, einmal 
einen Sonntag daheim zu verleben. 
Beim Kögerlwirt kamen heute der Be 
sitzer und seine Dienstleute vor lauter Keller 
laufen gar nicht mehr recht zu Atem, denn 
nicht allein Gaststube und Nebenzimmer 
waren mit Gästen vollgesteckt, sondern auch 
im Hausflur saßen 
sie Kopf an Kopf, 
und was sich drinnen 
gar kein Plätzchen 
mehr erobern konnte, 
hatte sich draußen 
auf dem frischge- 
mähten Rasenplatz 
gelagert. 
Alles horchte 
den Zelltalerbuben 
zu, denn ihr Ruf 
als unterhaltliche 
Leute war eine all 
bekannte und wohl 
begründete Sache. 
Da waren einige 
dabei, die auf der 
Zither spielten, wie 
man es nirgends 
ionst hörte. Und 
singen konnten sie 
alle, wie man es 
auch nirgends sonst 
hörte, und bei den 
Schwänken, die sie 
erzählten, lachten 
sich die Gesunden 
krank und die Kran 
ken wieder gesund. 
Der Mitter- 
lehner saß knapp neben den Zelltalerbuben 
und tollte mit ihnen, als wäre er noch 
einer der Jüngsten. Er schwamm heute 
in einer besonders ausgelassenen Stim 
mung, die wohl nicht ganz natürlich sein 
mochte. Neben der Lustigkeit zählten Trotz 
und Auflehnung in ihm und das kam noch 
von der Vormittagspredigt her. Justament, 
weil es diese fremden, hergelaufenen Schwar 
zen haben wollten, daß man über den Sonn 
tag auch noch daheim in der Keusche bleiben 
Bilder aus Gberösterreich: Sleyrkingörücke der 
Syhrnöah«. 
sollte, tat er's erst recht nicht. Was wußten 
denn die, die alle Tage Sonntag hatten, 
von einem geplagten Arbeiterleben? Wenn 
man sich die ganze Woche ärger wie ein 
Lastvieh geschunden hatte, sollte man dann 
am Sonntag wie ein Kettenhund zu Hause 
sitzen bleiben und etwa gar noch dem Weibe 
schön tun, dem schon die Falten kreuz und 
quer über das Gesicht liefen oder sich von dem 
schmutzigen Kinder 
pack die Ohren voll 
plärren lassen? 
„Nein.tausendnein. 
das gibt es doch in 
drei Teuselsnamen 
nicht", rief der voll 
trunkene Mann mit 
erhobener Stimme; 
alle horchten auf, 
keiner wußte, was 
er mit dieser Rede 
eigentlich meine. 
Jetzt warf der 
Mitterlehner eine 
Zwanzigkronen note 
vor jenen der Zell 
talerbuben auf den 
Tisch, der als erster 
unter ihnen den Ton 
angab und ries noch 
lauter als vorher: 
„Da, Zelltaler 
buben, habt Ihr 
was für Euer schö 
nes Singen.. Und 
sauft Euch aufmeine 
Kosten einmal einen 
Kapitalsonntags 
rausch an. Justa 
ment!" 
„Oho, Mitterlehner, bst! bst!" hörte 
man es von verschiedenen Tischen her, von 
solchen, die zu den Freunden und Bekannten 
des Bauers gehörten. Sie sagten es in 
scheuem, halblautem Tone und dann war 
es totenstille in der Stube. Es herrschte 
jene unheimliche Stille, die dem beginnenden 
Sturme voranzugehen pflegt. 
Die Zelltaler waren Bursche, die nichts 
höher als ihre Ehre schätzten. Es schmeichelte 
ihnen daß man sich in den Schenken um
	        
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