Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1911 (1911)

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Mit Wohlbehagen atmete er die reine Luft 
der gutgelüsteten Wohnstube seines Hauses 
ein, und die Unterhaltung mit dem Weibe, 
die sich lind um seine Seele gelegt, hatte 
auch dieser reine Luft und Wohlbehagen ge 
bracht. 
Die Bäuerin hatte den Alltagsstatt ihres 
Mannes wieder so hergerichtet, daß er den 
Stürmen einer Arbeitswoche aufs neue 
standhalten konnte und verschwand dann für 
ein Weilchen aus der Stube. 
Als sie wieder hereinkam, liefen die 
Kinder hinter ihr drein. Sie trug mit beiden 
Händen, vorsichtig schreitend, eine dampfende 
Schüssel. Und dieser Dampf verbreitete einen 
Wohlgeruch, der jedem angenehm in die 
Nase stieg, übrigens in diesem Hause noch 
immer kein täglicher Gast war. 
Die Bäuerin hatte, um das Daheim 
bleiben des Mannes zu feiern, Kaffee be 
reitet. Die gute, dicke Milch war dabei die 
Hauptsache, damit der Trank auch den 
Kindern nicht schade, aber er schmeckte auch 
dem Bauern vortrefflich, und so reichlich 
war die Schüssel gefüllt, daß die Tischgesell 
schaft trotz ihres gesegneten Appetites sie gar 
nicht einmal ganz auslöffeln konnte. Aber 
sie wurde doch geleert, denn als Liesl, die 
Magd, von ihrem Ausgange heimkam, war 
sie höchlich erfreut, an dem Kaffeerest eine 
so vorzügliche Jause zu finden. Ganz un 
gestört saß sie dabei, denn die Bauersleute 
hatten mit den Kindern die Stube verlassen, 
um einen Rnndgang durch die umliegenden 
Felder zu machen, die fast alle zum Hofe 
gehörten. - 
Und da erlebte der Bauer wieder ganz 
eigene Dinge Er sah, daß man von seinem 
Besitztum eine ganz herrliche Rundsicht hatte. 
Er war freilich schon oft hier gestanden, 
war auf- und niedergewandert, aber immer 
nur mit den Werktagsaugen, und diese 
hatten vor sich auf die braunen Schollen zu 
sehen und hatten die Ochsen und den Pstug 
zu bewachen. Und wenn der Bauer an Sonn 
tagen über diese Höhe schritt, dann geschah 
es halt wieder nicht mit den richtigen Augen, 
weil diese schon immer voraus eilten und be 
reits die Wirtsstube mit den Kameraden sahen. 
Aber heute ging er einmal mit der 
Gattin im gemächlichen Spazierschritt. Und, 
herrjeh, wie es diese verstand, einem die 
rechten Sonntagsaugen in den Kopf zu setzen. 
Da und dorthin mußte er gucken, mußte 
zugeben, daß es auf diesem Stücklein Erde 
wirklich wunderschön sei; und schier von 
jedem Baum, jedem Blümlein wußte die 
Lene noch obendrein ein nettes Geschichtlern 
zu erzählen. Im Fluge verging die Zeit. 
Nach dem Abendessen, zu dem sich auch 
die beiden Knechte und die zweite Magd 
eingefunden hatten, gab es noch vor der 
Haustüre einen gemütlichen Plausch. Da 
dachte keines mehr daran, noch einmal fort 
zugehen und ein jedes war verwundert, daß 
die Schlafensstunde auf so flinken Füßen 
daherkam. 
Als der Bauer die Kammer betrat, 
hatte sein Weib soeben die Kinder zur Ruhe 
gebracht. Jetzt kam es ganz nahe an den 
Gatten heran, reichte ihm die Hand und 
sagte innig: 
„Vergelt's Gott, Stephan, daß du heute 
einmal daheimgeblieben bist. Ich meine, einen 
so schönen Sonntag habe ich noch gar nie 
verlebt." 
Dem Bauer stieg es heiß zu den Augen 
herauf und sein Herz begann stürmisch zu 
klopfen. So schön wie die Lene da heute 
vor ihm stand, mit hochgeröteten Wangen 
und den glückselig leuchtenden Augen war 
sie ja nicht einmal als Braut gewesen. Er 
umschlang sie mit beiden Armen und ver 
schloß ihr die lächelnden Lippen mit einem 
herzlichen Kusse, den die Lene mit gleicher 
Wärme erwiderte. 
Und war dieser Kuß nicht noch weit 
süßer und weihevoller als der erste Braut 
kuß gewesen war? — Lag ihm ja doch die 
freudenvolle Ahnung zugrunde, daß erst jetzt 
für sie das wahre Glück der Ehe beginne. 
Ein Glück, das auch mit den weißen Haaren 
nicht stirbt. 
Der Bauer stellte keine Vergleiche mehr 
an zwischen dem Wirtshaus und der heimat 
lichen Stube, weil ihm eben das Wirtshaus 
gar nicht mehr einfiel und er nur mehr die 
Wohltat der reinen Luft eines glücklichen 
Familienlebens fühlte. Und vor dem Ein 
schlafen war sein letzter Gedanke ein Segens 
wunsch für den frommen Missionär, daß
	        
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