Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1911 (1911)

105 
Der Missionär gab sie mit seiner wohl 
klingenden Stimme, und besonders an die 
Familienväter waren seine Worte gerichtet. 
Es waren keine so kräftigen, kernigen Worte 
mit scharf gefärbter Betonung, wie er sie 
bei jener Predigt gebrauchte, in der er die 
Männer zum treuen, unentwegten Festhalten 
an ihrem Glauben ermahnt hatte. Heute 
sprach er innig und warm. Er erinnerte die 
Männer an jene Stunde, in der sie mit 
den Gefährtinnen ihres Lebens vor dem 
Traualtäre gestanden waren, wobei sie ihnen 
sei just der Sonntag recht. Da ruhe die 
Hand der Männer von der schweren Arbeit 
aus. Da stünden die störrischen Ochsen im 
Stalle und brauchten die scheltenden Zurufe 
beim Lenken der Fuhrwerke nicht. Da könnten 
Hand und Mund des Besitzers einmal Leich 
teres tun. Da könnten die Hände dem Weibe, 
das sich ja auch an Sonntagen oft ganz 
gehörig mit der Arbeit in Küche und Stall 
herumtun müsse, durch manchen Griff, den 
sie selbst übernähmen, eine rechte Wohltat 
erweisen, und dabei gebe es für den Mund 
Bilder aus Vberösterreich: Aandes-Ausstellung iu Ainz; Begrüßung Seiner k. und k. 
des durchlauchtigsten Kerr« Erzherzogs Karl Kranz Josef bei der Eröffnung der Kufts 
Ausstellung. Phot. Schwarz, Linz. 
Liebe und Treue versprochen hatten. Und 
diese Liebe und Treue hegten sie ja heute 
noch in dem gleichen Maße, das wisse er 
bestimmt, das sehe er ihnen an, denn sie 
seien ein ehrlicher, biederer Menschenschlag, 
aber hart arbeiten müßten sie eben, sechs ge 
schlagene Tage lang, und da werde mit 
den Händen allmählich auch das Gemüt 
rauh, und da vergäßen sie halt, daß ihrer 
Frauen Sinn ein viel weicherer sei und daß 
sie dürsteten nach lieben Worten und ein 
wenig Zärtlichtun. Das sei so ihre Art, 
das brauchten sie, sonst verdorrten sie im 
Gemüte, wie die lieben Blümlein auf dem 
Anger draußen, wenn sie kein Regen und 
kein erquickender Morgentau labte. Und da 
die schönste Gelegenheit, einmal ein paar 
liebe, herzliche Worte dazwischen zu werfen. 
Das bringe ihrer Ehe wieder einen Hauch 
des köstlichen Duftes der vielleicht schon 
längst vergangenen Flitterwochen zurück, 
und dieser Schimmer strahle dann auch auf 
die kommenden Werktage hinüber und ver 
leihe dem Zusammenleben einen ganz eigenen 
gemütlichen Ton, der es viel schöner und 
freudvoller mache. Und seien denn ihnen, 
den Männern, nicht auch liebe Kinder be 
schert? — Und wüßten sie wohl, was sie 
an diesen für ein herrliches Kleinod besäßen? 
Das habe wohl noch keiner so recht vom 
Herzen bedacht, weil sie ja vor lauter Arbeit 
und Sorge und dem Durchkämpfen durch
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.