Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1908 (1908)

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die Sterbenden. In jeder Stunde sterben 
auf dem weiten Erdenrunde gegen vier 
tausend Menschen. Vielleicht daß unser 
Gebet für einen Sterbenden gerade noch 
zur rechten Zeit kommt, um ihm eine große 
Gnade, vielleicht die letzte, zu erflehen. 
„Beten wir für einander, auf daß wir 
gerettet werden." 
Ein Fronleichnamsfest. 
von Llsbeth DÜcker. (Nachdruck verboten.) 
\s% in wonniger Junimorgen grüßte die 
r«#-- schöne Welt. Vor den Strahlen 
der Sonne schwanden die weißen, 
x ^ wallenden Nebel, die schwerfällig 
über die taufrischen Wiesen dahinhuschten. 
drei alte Buchen einen schattigen Platz 
bildeten, war ein Altar ausgeschlagen. Frauen 
waren noch damit beschäftigt, weiße Tücher 
darüber auszubreiten und Riesensträuße von 
Feld- und Gartenblumen neben dem Kruzifix 
Die Teilnehmer am Schülerausflug der 4- und 5. Mädchenschulklasse in Eferding 
nach Haibach am 8. Juni. 
Es war ein Freudentag der Natur und ein 
Ehrentag der Kirche zugleich — das hoch 
heilige Fronleichnamsfest. Das Dörfchen 
war schon gerüstet, seinen Herrn bei seinem 
heutigen Durchgänge zu empfangen. Freund 
licher blickten die roten Ziegeldächer aus 
grüner Umgebung, heller blinkten die blanken 
Fenster mit ihren schneeweißen Vorhängen. 
Die Kinder erwarteten froh die Stunde der 
Prozession, denn auch sie waren heute 
wichtige Personen. In besonderer Weise galt 
heute die Einladung des göttlichen Kinder- 
sreundes: „Lasset die Kleinen zu mir kommen, 
und wehret es ihnen nicht." In ihren 
leuchtenden Kleidern erhöhten sie die allge 
meine Feststimmung. 
Dort, wo am äußersten Ende des Dorfes 
zu ordnen. Gegenüber, auf der anderen Seite 
der Dorfstraße, lag abseits von den übrigen 
Häusern das Armenhaus des Ortes, Eigen 
tum des Klosters, welches jetzt verlassen 
inmitten des Dorfes lag wie eine alte 
Erinnerung an schönere Zeit. Ein ver 
wittertes, steinernes Muttergottesbild stand 
über dem Eingänge des Häuschens, das 
wie seine wenigen Bewohner alt und einsam 
in der Welt stand. Ein junges Leben war 
indessen noch darin zu finden, ein kranker 
Knabe, ein armer Krüppel, der sich redlich 
durchgeschlagen hatte, bis die böse Krankheit 
ihn zwang, sein Gewerbe ruhen zu lassen. 
Als Kind der Gemeinde gönnte man ihm 
ein Plätzchen in dem Hause der Armut, 
zumal seine Krankheit ihn bald auf immer
	        
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