Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1908 (1908)

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während dem feierlichen Hochamte zur Zeit 
der heiligen Wandlung einen anständig ge 
kleideten Jungen am Erdboden auf dem 
Rücken sich wälzen, die Hände bald auf 
diesen, bald auf jenem Körperteil gelegt, bald 
in die Luft gestreckt: aber sicherlich nicht 
um zu beten. Während er sich zwischen 
den beiden Männern, denen er zuzugehören 
schien, es sich gut gehen ließ im süßen 
Nichtstun, hielt er den Hut mit den Zähnen 
fest und schnitt jeden Augenblick ein anderes 
Gesicht: — o, die Italiener müssen sich 
Gott wirklich als guten, guten Vater vor 
stellen, sonst wäre die ganze Nation 
ein ungelöstes Rätsel. 
Da kommt unter tierähnlichen Lauten 
ein Rudel Buben und machen rechts und 
links Purzelbäume und laufen dabei mit 
den Fiakerpferden um die Wette und rufen : 
„Um Soldi!“ 
Langsam öffnen sich auch bessere Ge 
schäfte, denn ein echter Italiener ist ja erst 
um 2 Uhr nachts zu Bette gegangen, und 
kann daher nicht so schnell aufstehen, dafür 
tut er sich in der mittägigen Sonnenhitze 
1 bis 2 Stunden gütlich und sieht von 
unserem Lebensernste lieber ab, denn er 
hat am Ende auch gelebt, wenn er in die 
Sorgen sich auch nicht so tief verbohrt hat, 
wie der Deutsche. 
Absteigen! „Maria in Kosmedin“,, 
eine der ältesten Kirchen Roms, ist hinein 
gebaut in einen altheidnischen Tempel, was 
übrigens in Rom nicht so selten ist. So 
eben sind wir abgestiegen, um einen großen, 
mühlsteinsörmigen Sonnengötzen zu sehen, 
aus dessen Munde eine meineidige Hand 
sich nicht mehr entfernen konnte; da steckt 
schon ein mitgelaufener Junge seine Hand 
in meine Tasche, um etwas sich beizubiegen; 
plötzlich faßt ihn meines Mitpilgers kräf 
tiger Arm, aber der unschuldigste Ton der 
Stimme und der Blick mit dem Engels 
ausdruck sagt, er habe ja ohnehin nichts 
erwischt! Was will man da machen, als 
seine Taschen besser zuhalten; den Schlingel 
einem Wachmann übergeben? einem Gen 
darmen? O, das „Auge und der Arm" 
der Gerechtigkeit, die spähen ja selbst be 
ständig, wie sie ihrem Herrn und Gebieter 
neue Schätze und Kirchen und päpstliche 
Besitztümer zu Füßen legen könnten! — 
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Von den früheren Schätzen 
der Kirche sind wohl nur die 
Spuren der Deckengewölbe ein 
/ . Beweis. Die Zeit drängt, wir 
y' / gehen zu den Wagen, die 
Jungens sind schon wieder da 
und bemühen sich, unsere Soldi 
sich zu erbetteln; da geht mir 
doch die Geduld aus und rufe 
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ihm zu: skiaffo tedesco mit einer ver 
ständigen Handbewegung, und er fürchtet 
sich vor der deutschen Ohrfeige; trägt 
mir aber, indem er verschwindet, eine 
italienische an. Gleich neben der Straße 
ist ein größerer Schuttplatz; ein älteres 
Weib nimmt damit als Ruheplatz vor 
lieb und aus ihren Gesten könnte man 
aus ganzköniglicheGesühle des Besriedigt- 
seins schließen. Vergönnen wir dem 
Geschöpfe sein Glück! Aber die Er- 
* fahrung, „die Italiener fangen in der 
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Frühe an, faul zu werden , ist wieder 
um ein Beispiel bereichert. — Es kommt 
eine lange Mauer zu beiden Seiten der 
Straße, hoffentlich Gartenmauern; deren 
Strillone (Schreihals) ital. Zeitungsverkäufer. 
Zinnen oeMyen m yunoerren
	        
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