Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1908 (1908)

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Ein Vormittag in Rom. 
Originalartikel des Preßvereinskalenders. — Mit mehreren Bildern. (Nachdr. verb.) 
tanz friedlich schlummern im Campe 
W santo neben der Sakristei der 
Peterskirche die toten Deutschen, und 
der gewaltige Schlag der Glocken, so sehr 
er erdröhnt, um den Lebenden den Wert 
der Zeit einzuschärfen, er weckt sie nicht 
mehr zum Leben. — Ebenso friedlich aber 
waren wir Lebenden: Mähren, Slavonen, 
Sachsen, Amerikaner, Ober- und Nieder 
österreicher im Hospiz daneben — der Haus 
herrwar Westfale—: 
wir hätten uns sonst 
vor St. Peter dem 
Fischer geschämt, 
dessen heilige Gebeine 
nur wenige hundert 
Schritte von uns ent 
fernt ruhen und uns 
die frohe Botschaft 
sagen: Freuet Euch, 
daß ihr Christen 
seid! 
Hinaus zum Tore! 
Halb acht ist es schon! 
Hinauf auf die 
Wägen, avanti vet- 
turino (vorwärts, 
Kutscher)! Es ist 
noch so kühl von der 
Nacht her, daß mich 
fröstelt und die ge 
waltigen Säulen 
hallen vor der 
Peterskirche, an denen 
der Wagen vorbeirollt, können mir auch nicht 
helfen, sie stehen ja selbst noch zu kurz in 
der Sonnenwärme. Rechts und links öffnen 
sich die primitiven Werkstätten der Schlosser 
und Schuster und Schneider: Schmutz und 
unheimlich schnell gesprochene Laute bringen 
uns jeden Augenblick zum Bewußtsein: 
„Du bist ein Fremdling hier !" 
Nach einer Viertelstunde schwitze ich 
schon gehörig: o du verflixte italienische 
Sonne! Möchtest du aus uns auch eine 
hitzige Nation machen! — Da baumelt 
vom obersten Stockwerk ein Korb an einem 
Strick herunter und die Marktweiber legen 
ihr Grün der Aecker drein und der Korb 
baumelt wieder in die Höhe; dabei singt 
die Signorina oben im höchsten Neglige 
eine schmelzende Melodie, welche sich schon 
nach einigen Takten in kreischende Worte 
des Zornes auflöst, denn die Signorina 
muß ja mit ihrer Fensternachbarin streiten, 
nipllpisfit hipsien nievts. 
mann auf einem zweiräderigen Wagen; am 
linken Tiberufer drüben die neue Juden 
synagoge mit herausfordernd silbern blinken 
dem Dach und elegantem Bauwerk, was 
einen argen Gegensatz bildet zu den hun 
derten und hunderten von halbabgerissenen 
Häusern, die der großartigen Straßen- 
regulierung zum Opfer fallen. 
In dem nächsten Kircheneingang, der 
weit offen steht, balgen sich zwei Buben, 
als ob sie gerade aus dem fernsten Westen 
gekommen wären: doch nein, das sind ja 
waschechte Italiener. So sah ich in Loreto 
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